Singapur: Die neue Schweiz?
Gletscher gibt es dort zwar nicht, aber wird Singapur zur neuen Schweiz? Samir Mehta, Senior Fund Manager bei J O Hambro, sieht gute Gründe dafür, dass der Stadtstadt als zukünftiges globales Finanzzentrum gute Karten hat.
Singapur zeichne sich zunächst einmal durch höhere Regulierungsstandards für Banken aus. Das ist einer Zeit attraktiv, in der durch die Krisen rund um Credit Suisse und Silicon Valley Bank Regulierungen, Kapitalausstattung und insbesondere das Risikomanagement von Banken verstärkt in den Fokus gerückt sind.
„Nicht immun“
Natürlich ist Singapur auch keine Allwetterlösung. „Das Risiko einer Ansteckung und eines Bank Runs ist hoch. Wir können nicht behaupten, dass Singapur immun ist – schließlich war der Ruf der Schweizer Banken bis März 2023 auch makellos. Wir müssen zu jeder Zeit wachsam bleiben, doch nach der asiatischen Finanzkrise von 1997/98 wurden die Bankenregulierungen in Asien gestärkt,“ erläutert Mehta. Es sind jedoch nicht nur Regulierungsthemen, die für Singapur sprechen. Singapur sei ein großer Nutznießer der Neuausrichtung globaler Lieferketten.
„Der Handelskrieg zwischen den USA und China und die Störungen der Lieferketten in der COVID-Ära zwangen Unternehmen, die Rolle Chinas als Hersteller von Waren neu zu überdenken. Wir übersehen jedoch die Finanzdienstleistungen – ein ebenso wichtiger Zusatz in einer globalisierten Welt. Als Unternehmen benötigen wir sichere und effiziente Bankensysteme, gut kapitalisierte Versicherungsunternehmen und robuste rechtliche Infrastrukturen,“ erklärt der Fondsmanager.
Globaler Knotenpunkt
Family Offices, vermögende Privatpersonen und Einzelhändler würden nach einer stabilen Währung, Rechtsstaatlichkeit, einer transparenten Rechtsordnung für Gerichtsverfahren und zunehmend auch nach persönlicher Sicherheit suchen. „In all diesen Belangen ist Singapur einer der besten Orte der Welt und ein Knotenpunkt für die globale Vermögensverwaltung.“ Einige Institute profitieren besonders. Die DBS Bank sei eine von ihnen.
Das Geldhaus zieht einen Nutzen von Singapurs Ruf als Finanzzentrum. Als staatliche Bank gegründet, hatte sie jahrzehntelang einen schlechten Ruf. Unter der Leitung ihres derzeitigen CEO Piyush Gupta und seines Teams habe die DBS in den letzten Jahren eine digitale Transformation durchlaufen. Mittlerweile sei sie als dominierende Bank in Singapur und teilweise in der Region etabliert. „Ihr Wettbewerbsvorteil liegt in relativ stabilen Einlagen, ausreichender Liquidität und vorsichtigen Bestimmungen zur Risikovorsorge,“ so Mehta. Allerdings läuft es nicht immer reibungslos für die DBS. Erst kürzlich habe es einen zweiten Ausfall ihres Online-Servicezugangs gegeben.
Teures Pflaster
Letztlich seien in Singapur die Lebenshaltungskosten aufgrund einer erhöhten Nachfrage und Covid-bedingten Versorgungsengpässen gestiegen. Der Fondsmanager betrachtet dies als Übergangsprozess, da die Wirtschaft sich an sich ändernde Wachstumstreiber anpasst. Aber auch hier gibt es eine Parallele zur Schweiz: jahrzehntelang blieb dieses Land einer der teuersten Orte in Europa. Eventuell könnte sich diese Entwicklung als Hinweis darauf erweisen, dass sich die Schwäche des Schweizer Bankensystems zugunsten von Singapur auswirke.
J O Hambro Capital Management/HK