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21. Januar 2021

2021: Das Jahr der Normalisierung

LFDE Monthly Editorial: von Olivier de Berranger, CIO bei LFDE

Olivier de Berranger, CIO bei LFDE
Olivier de Berranger, CIO bei LFDE

In dem Roman „L’anomalie“ von Hervé Le Tellier stehen die Passagiere auf einem Flug von Paris nach New York einer anderen Realität gegenüber, die ihr Leben und die ganze Welt durcheinanderbringt, nachdem sie mit einer riesigen Gewitterwolke – einer unvorhersehbaren Anomalie – konfrontiert waren. Wie in dem Roman sah sich der gesamte Planet 2020 gefordert, auf ein unvorstellbares Ereignis in Form von Covid-19 zu reagieren, das unser Leben verändert und die Weltwirtschaft neu gezeichnet hat. 2020 wird in vieler Hinsicht ein ganz besonderes Jahr bleiben – ein Jahr, das von einer Pandemie mit zahlreichen Konsequenzen gekennzeichnet war – und das in einem Umfeld, das sich bereits nahe der Schwelle zur Hysterie befand.

Zunächst die Hysterie hinsichtlich der internationalen Beziehungen, da neben den protektionistischen Maßnahmen und dem von der US-Regierung ausgelösten Handelskrieg noch die Einschränkung des Handels und der Mobilität hinzu kam. So dürfte der weltweite Warenhandel um mehr als 5,5 % zurückgehen. Dies wäre der stärkste Einbruch seit der Krise von 2008. Im Dienstleistungssektor ist mit einem Minus von knapp 16 % zu rechnen, der stärkste Rückgang seit 1990, als die UNCTAD mit ihrer Statistik begann.(1)

Dann wäre da noch die Hysterie der innenpolitischen Reaktionen. Wenngleich das Brexit-Drama zumindest vorübergehend ein Ende hat, dauerte seine Auflösung 1.646 Tage seit dem britischen Referendum, ohne dass zahlreiche Themen wie etwa Finanzdienstleistungen – die 7 % des britischen BIP ausmachen – überhaupt behandelt wurden. Jenseits des Atlantiks wird die Politik von Präsident Trump mit seinen Tweet-Tiraden in die Annalen des Kapitols eingehen.

Hysterie gab es auch an den Finanzmärkten, die im ersten Quartal 2020 einen der schnellsten Rückgänge ihrer Geschichte erlebten – und im Falle des US-Marktes auch einen, der am schnellsten wieder wettgemacht wurde. Die Nachricht der Entwicklung von Impfstoffen gegen COVID-19 im November führte schließlich zur besten Monatsperformance des Dow Jones seit 1987, zum besten November für den S&P 500 seit 1928 und zu den besten monatlichen Wertentwicklungen des italienischen und spanischen Aktienmarkts.

Finanz- und Geldpolitik: Lehren aus früheren Krisen gezogen

Da fragt man sich, ob die großen weltweiten Börsenindizes 2020 ohne diese „Anomalie“, diese Pandemie, die zu einer unvergleichlichen weltweiten Krise führte, ebenso hoch geschlossen hätten. Das weiß wohl niemand, aber glücklicherweise haben die Menschen und Regierungen ihre Lehren aus früheren Krisen gezogen. Das Zusammenspiel der massiven haushalts- und geldpolitischen Stützungsmaßnahmen konnte einem Teil der Auswirkungen der Krise entgegenwirken, ohne dass Fehler aus der Geschichte wiederholt wurden. Nämlich die einer zu kurzen, zu schwachen Unterstützung wie 2008 bis 2009 oder bei der europäischen Staatsschuldenkrise 2011.

Aktienbewertungen dürften sich 2021 normalisieren

Setzen wir darauf, dass die extreme Polarisierung der Reaktionen, die 2020 vorherrschte, im Jahr 2021 einer Welt mit ausgewogeneren Märkten weichen wird. Am Horizont zeichnet sich Aufheiterung ab, mit den ersten Impfkampagnen, einem diplomatischeren, konventionelleren US-Präsidenten und mit nuancierteren Bewertungen der verschiedenen Assetklassen und Sektoren. Eine gute Mischung, um mehr Risiken einzugehen.

In Verbindung mit den Impfkampagnen dürfte die Verbesserung der Wirtschaftslage eine Erholung von zyklischen Qualitätstiteln sowie eine Verringerung der zu groß gewordenen Bewertungslücken bei Wachstumswerten ermöglichen. Nach dem Indexjahr 2019 und dem Sektorjahr 2020 könnte 2021 das Jahr werden, in dem sich die Aktienbewertungen wieder normalisieren, und in dem wieder stärker bei der Qualität der Unternehmen und damit bei den Börsenkursen unterschieden wird.

(1) https://unctad.org/news/covid-19-drives-large-international-trade-declines-2020

LFDE/Sj

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