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12. Mai 2023

Türkei: Match um die Macht

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Mag. Harald Kolerus GELD-Magazin / Redakteur

Schon diesen Sonntag wird in der Türkei gewählt. Wird sich Langzeit-Präsident Erdogan durchsetzen oder Herausvorderer Kilicdaroglu das Rennen machen? Umfragen sagen ein knappes Ergebnis voraus, das für ganz Europa von Bedeutung ist.

In der Türkei werden am 14. Mai ein neuer Präsident und ein neues Parlament gewählt. Was der Ausgang für die Wirtschaft des Landes und seine geopolitische Ausrichtung bedeuten könnte, analysiert Timothy Ash, Stratege für Schwellenländer-Staatsanleihen bei BlueBay Asset Management. 

Galoppierende Inflation

Ash: „Der aktuelle türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und die aus sechs Parteien bestehende Oppositionskoalition haben sehr unterschiedliche Visionen für die Wirtschaft des Landes. Erdogan bietet mehr von seiner unorthodoxen Geldpolitik an, die in den vergangenen zehn Jahren zu Stopp-and-Go-Wirtschaftszyklen mit nahezu ständigem Verkaufsdruck auf die türkische Lira und damit einer anhaltend hohen Inflation – derzeit mehr als 50 Prozent – geführt hat.

Die Opposition verspricht dagegen eine Rückkehr zu einer orthodoxen Wirtschaftspolitik mit einer Normalisierung der Leitzinsen und einem flexiblen Wechselkurs. Sie hat angekündigt, Erdogans Geflecht aus marktverzerrenden wirtschaftspolitischen Maßnahmen zu zerschlagen, staatliche Institutionen wie die türkische Zentralbank zu stärken und das Land wieder für ausländische Investoren zu öffnen. Kurzfristig wird sich das Wachstum verlangsamen müssen, um die Inflation einzudämmen, das hohe Leistungsbilanzdefizit von rund 6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu verringern und die große Außenfinanzierungslücke des Landes von mehr als 230 Milliarden US-Dollar zu schließen. Die Aussicht auf ein nachhaltigeres Wachstum könnte aber das Interesse ausländischer Investoren an dem Land wieder wecken.“

Zinsen auf 40 Prozent!

Kieran Curtis, Währungsexperte bei abrdn, fügt hinzu: „Sollte Kilicdaroglu gewinnen, würde die türkische Zentralbank (CBRT) sofort eine neue Leitung erhalten. Die Zinssätze würden drastisch angehoben, von derzeit 8,5 % auf 30-40 % oder sogar noch höher. Die CBRT würde auch aufhören, Reserven zu verkaufen, um die türkische Lira zu stützen (und vielleicht sogar beginnen, Fremdwährungen zu kaufen), was die Lira wahrscheinlich weiter schwächer werden würde.“

Knappes Rennen

Zwar liegt Oppositions-Kandidat Kilicdaroglu in Meinungsumfragen knapp vorn, doch der Wahlausgang ist derzeit noch ungewiss. Beträchtlichen Einfluss werden auch die „Auslandstürken“ haben. Auf statista.com liest man dazu: „Mindestens 1,9 Millionen türkische Staatsbürger leben laut Statistischem Amt der EU in Europa. Allein in Deutschland haben aktuell rund 1,3 Millionen Türk:innen ihren Wohnsitz.“ Dahinter folgen mit deutlichem Abstand Frankreich (210.000) und Österreich (117.000).  

Der Großteil der Auslandstürk:innen hat in der Vergangenheit regierungstreu gewählt. Die Adalet ve Kalkınma Partisi (AKP, Erdogan) kam bei der letzten Parlamentswahl 2018 auf etwa 51,7 Prozent der Stimmen, gefolgt von der kemalistischen Oppositionspartei Cumhuriyet Halk Partisi (CHP, Kilicdaroglu) mit 17,8 Prozent und knapp dahinter die mehrheitlich kurdische, linkspolitische Halkların Demokratik Partisi (HDP).

Harald Kolerus 2-e1666618640728
Mag. Harald Kolerus GELD-Magazin / Redakteur

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