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20. August 2020

Die Lage der heimischen Unternehmen spitzt sich zu

Jedes zweite Unternehmen in Europa zeigte schon vor COVID-19 Krisensignale, die sich durch die Pandemie nun rasant verstärken. Besonders betroffen sind die heimischen Automobilzulieferer mit ihren mehr als 35.000 Jobs, die Medienbranche sowie das Bau- und Ingenieurwesen.

Nils Kuhlwein,
Partner bei Kearney

Wolken am Konjunkturhimmel gab es schon vor Corona, doch jetzt werden sie zum Sturm. „In fast allen Branchen liefen Unternehmen schon vor der Pandemie Gefahr, zum Sanierungsfall zu werden. Nun verschärft sich die Situation weiter. Besonders kritisch ist die Situation der Automobilzulieferer, bei denen wir in 60 Prozent der Fälle deutliche Krisensignale sehen“, so Nils Kuhlwein, Partner bei Kearney, Restrukturierungsexperte und einer der Autoren des „Kearney Restructuring Score“. Der Score, der zum zweiten Mal erhoben wurde, erfasst den Status ausgewählter Sektoren und Branchen anhand von Finanzdaten börsennotierter Unternehmen und bewertet sie hinsichtlich ihrer Krisensymptome.

Corona verschärft die Lage

Mehr als die Hälfte der untersuchten 1.000 europäischen Unternehmen zeigten schon vor COVID-19 Krisensignale. Corona setzt sie nun noch zusätzlich unter Druck. Betroffen sind auch Unternehmen in wirtschaftlich starken Ländern wie Norwegen, Spanien, Finnland und den Niederlanden. Im DACH-Raum schrillen die Alarmglocken ebenfalls laut. „Deutschland, Österreich und die Schweiz liegen zusammen mit einem Score von 2,69 schlechter als der europäische Durchschnittswert von 2,53“, warnt Kuhlwein. „Übertragen auf die untersuchten Unternehmen bedeutet das, dass mehr als 60 Prozent aller 203 analysierten Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz deutliche Krisensymptome aufweisen“, erläutert Kuhlwein.

Automobilzulieferer unter Druck

Wirft man einen Blick auf die untersuchten Branchen, stechen einige besondere Sorgenkinder hervor. So etwa die Automobilzulieferer mit ihren in Österreich mehr als 35.000 Beschäftigten. 60 Prozent der untersuchten Fälle müssen als kritisch eingestuft werden. Ende 2018 waren es noch weniger als die Hälfte. Vorrangig verursacht wird dies durch die konjunkturbedingte Verunsicherung und die (Investitions-) Zurückhaltung potenzieller Auftraggeber/Kunden. Die Folgen davon sind rückläufige Auftragseingänge aus dem In- und Ausland sowie sinkende Auftragsbestände. Auch für die Sektoren Bau- und Ingenieurwesen sieht es nicht rosig aus. 14 Prozent aller Maschinenhersteller haben weiterhin mit ernsthaften Krisensymptomen zu kämpfen.

Medienhäuser: Weniger Schaltungen

Im Mediensektor zeigt sich, wie COVID-19 die Abwärtsspirale beschleunigt, denn viele traditionelle Medienhäuser haben schon der Pandemie um ihre Existenz gekämpft. So verschlechterte sich der „Kearney Restructuring Score“ zwischen Dezember 2018 und Mai 2020 von 2,47 auf 2,81 deutlich. Das spiegelt auch die Anzahl von Unternehmen in kritischer und sehr kritischer Situation wider. Sie ist seit Dezember 2018 von 14 auf 20 angestiegen. Über die letzten eineinhalb Jahre hat sich die Situation in der Medienbranche damit stetig und zunehmend dynamisch verschlechtert. Durch die sich insgesamt verschlechternde Konjunktur und das dadurch bedingte Ausbleiben von Werbeschaltungen dürfte sich diese Situation in den nächsten Monaten weiter verschärfen. Medienhäuser müssen somit machtlos zusehen, wie neue Wettbewerber wie Netflix dank des Lockdowns zusätzlichen Aufwind erleben.

Infrastruktur für Kommunikation boomt

„Positive Ausnahme im Medien- und Kommunikationstechnologiebereich sind lediglich die Hersteller von Hardware, denn die weiter steigende Nachfrage nach schnellerer Dateninfrastruktur beflügelt ihr Geschäft. Dies scheint insbesondere im Ausbau des 5G-Netzes begründet sein“, so Kuhlwein.

Kearney/mf

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