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13. März 2023

Unternehmen: Je älter, desto besser

Harald Kolerus 2-e1666618640728
Mag. Harald Kolerus GELD-Magazin / Redakteur

Unternehmen, die seit Jahrzehnten – ja sogar über 100 Jahre – bestehen, bieten einige interessante Vorteile. Comgest- Produktspezialist Experte Wolfgang Fickus erklärt die wunderbare Kraft des Alters für Investoren.

Wolfgang Fickus, Produktspezialist bei Comgest
Wolfgang Fickus, Product Specialist, Comgest

Viele Anleger können mit dem Begriff „Lindy´s Law“ wohl kaum etwas anfangen. Schade, meint Comgest-Experte Fickus. Aus diesem „Gesetz“ lassen sich nämlich interessante Überlegungen für Investoren und Unternehmen ableiten.

Auf der Suche nach steiler Kurs-Performance setzen viele Anleger auf junge dynamische Tech-Titel.  Sie meinen aber, das geht auch anders …

In der Tat. Interessante Möglichkeiten öffnen Investments, die an „Lindy´s Law“ angelehnt sind. Zur Erklärung: Ein junger Mensch genießt eine höhere Lebenserwartung als ein älterer. Das gilt für alles Organische, auch einen Liter Milch. Logisch. „Lindys Law“ befasst sich wiederum mit dem Alterungsprozess von nicht-organischen „Dingen“. Die Theorie besagt, wenn man Sie auf Unternehmen anwendet: Je länger ein Unternehmen bereits besteht, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass es noch lange leben und prosperieren wird. Die Überlebenswahrscheinlichkeit von jungen Unternehmen hingegen ist gering. Das gilt aber auch für Technologien oder andere ‚nicht organische‘ Dinge wie politische Ideen, Erfindungen etc.. 

Können Sie „Lindy`s Law“ anhand von Beispielen verdeutlichen?

Es lohnt sich ein Blick in die Verlagsbranche: Hat ein Buch über den Zeitraum von zehn Jahren einen erfolgreichen Track-Record, sollte das auch für die nächste Dekade gelten. Gelingt das, dann erhöht sich die Lebenserwartung des Buches auf 20 Jahre. Der Alterungsprozess, den wir aus unserem eigenen Leben kennen, wird quasi umgekehrt. Auch konnte die Spieldauer von Broadway-Shows auf diese Weise gut vorhergesehen werden. Es handelt sich dabei um eine Theorie, die mathematisch und empirisch sehr genau überprüft ist.

Statistik ist wichtig, aber wie lässt sich der Erfolg älterer Unternehmungen auch logisch erklären?

Ist ein Unternehmen über einen langen Zeitraum hinweg erfolgreich unterwegs, hat es bewiesen, dass es mit Krisen umgehen kann und dass sich sein Geschäftsmodell durchgesetzt hat. Das Management konnte weiters Erfahrungen sammeln, und was außerdem sehr wichtig ist: Das Unternehmen konnte eine starke Marktposition aufbauen, möglicherweise Technologieführerschaft aufbauen und Preissetzungsmacht erlangen. Das sind Burggräben, die uns bei Comgest sehr gut gefallen. 

Wie setzen Sie „Lindy`s Law“ um?

Wir haben vor rund drei Jahren den Fonds „Comgest Growth Europe Compounders“ (ISIN: IE00BK5X3T35) ins Leben gerufen. Investiert wird in qualitativ hochwertige, sehr langfristig wachsende Unternehmen, die typischerweise sehr liquide sind, über eine beständige Erfolgsbilanz und belastbare Geschäftsmodelle verfügen. Der Fonds richtet sich an Anleger mit langfristigem Horizont von fünf Jahren oder länger. Die Performance beträgt seit Auflegung rund 8,6 Prozent per anno (Stand: 31.12.2022). Das Portfolio ist noch etwas defensiver ausgerichtet als in anderen unserer Produkte und auf zurzeit 27 Titel konzentriert. Die nach Gewichtung derzeit stärksten Positionen sind Novo Nordisk, Nestlé, EssilorLuxottica, LVMH und Linde.

Jetzt können Kritiker aber einwenden, dass „alt nicht automatisch gut“ bedeutet. Eine lange Firmenhistorie könnte auch behäbig und blind gegen disruptive Entwicklungen machen …

Das ist richtig, und natürlich gehen wir bei der Portfolio-Komposition nicht einfach nach der längsten Lebensdauer vor. Comgest bleibt auch bei diesem Fonds seiner Philosophie treu, nach Quality-Growth, also Qualitätswachstum zu suchen. Das bedarf tiefer Fundamentalanalyse und genauem Stock-Picking. Der Track-Record der Unternehmen erleichtert es dabei, unsere Qualitäts-Kriterien zu überprüfen. Die Titel in diesem Fonds sind im Durchschnitt übrigens 114 Jahre alt.

Interessant in diesem Zusammenhang: In den USA überleben 30 Prozent der Unternehmen die ersten beiden Jahre nicht, 50 Prozent schaffen nicht mehr als fünf Jahre aber 25 Prozent überstehen mehr als 15 Jahre. Es ist ein Anti-Alterungsprozess, der die Lebenserwartung von Unternehmen gut widerspiegelt, unserer eigenen Lebenserfahrung jedoch diametral gegenübersteht. Interessant ist auch, dass er der Tendenz widerspricht, sich auf neue Unternehmen mit disruptiven Technologien zu stürzen, deren Überlebens- bzw. Erfolgswahrscheinlichkeit nach Lindy’s Law eben sehr gering ist.

Wann haben Sie zuletzt eine Aktie aus dem Portfolio eliminiert, und warum?

Der Turnover im Fonds ist sehr gering und lag bei knapp über 5 Prozent in den letzten drei Jahren. Wir haben Medtronic im vergangenen Jahr verkauft. Das US-Medtech-Unternehmen hatte Probleme bei der Produktinnovation, etwa bei Insulinpumpen, und litt unter dem Preisdruck im chinesischen Gesundheitsmarkt. Das Wachstumsprofil war zu schwach, um das Unternehmen trotz seiner hohen Qualität im Portfolio zu belassen.

Harald Kolerus 2-e1666618640728
Mag. Harald Kolerus GELD-Magazin / Redakteur

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