Kryptowährungen sind aus ESG-Perspektive bedenklich
Interview mit Mark Dowding, Chief Investment Officer bei BlueBay Asset Management über Investitionen in Kryptowährungen.
Sie haben Investitionen in Kryptowährungen aus ESG-Sicht betrachtet, zu welchen Schlussfolgerungen sind Sie gekommen?
Mark Dowding: ESG wird für die Beurteilung sozial verantwortlicher Investments herangezogen und steht dabei für Umweltfaktoren, soziale Faktoren und Faktoren im Zusammenhang mit Governance. Bei Kryptowährungen sehe ich dabei mehrere Probleme: Aus sozialer Sicht gibt es eine Menge an Aktivitäten, die Bitcoin zur Finanzierung krimineller Machenschaften verwenden. Das liegt daran, dass die Geltungsbereiche der Finanzregulierung und der Geldwäscheregeln sich nicht auf Kryptowährungen erstrecken. In Bezug auf Governance und Anlegerschutz gab es in der Vergangenheit viele Vorfälle, bei denen Börsen gehackt oder Privatanleger betrogen wurden. Der dritte und zunehmend wichtigere Punkt ist die Beeinträchtigung der Umwelt. Um Bitcoin zu minen, wird immer mehr Rechenleistung und damit Energie benötigt. Mit den Preisen steigt der Anreiz zum Mining und daher wächst der Energieverbrauch des Netzwerks parallel mit den Kursen. Ende letzten Jahres entsprach der gesamte Stromverbrauch des Bitcoin-Miningnetzwerks dem eines Landes der Größe Argentiniens. Diesen enormen ökologischen Fußabdruck können Anleger, die nach ESG-Kriterien investieren, nicht außer Acht lassen.
Kryptowährungen gelten als neue Assetklasse, die gerade erst ihren Platz findet. Müsste man ihre ökologischen Auswirkungen nicht in Relation zu anderen Vermögenswerten setzen, von denen Liquidität in ihre Richtung abfließt?
Mark Dowding: Ich habe keine Daten zur Hand, die die ökologischen Auswirkungen von Bitcoin im Verhältnis zu anderen Branchen oder Assets darstellen. Ich würde jedoch feststellen, dass die anderen Branchen, die wir betrachten, Güter und Dienstleistungen produzieren, die in unserem täglichen Leben benötigt werden. Die im Zusammenhang mit Bitcoin verbrauchte Energie ähnelt eher einer für reine Finanzspekulationen. Wirft man einen Blick auf den Chart, sieht es für mich nach einem Vermögenswert aus, der eine Rolle für Finanzspekulationen spielt und nicht etwa, um sich gegen Inflationsrisiken in Portfolios abzusichern. Vielleicht ist der Vergleich mit dem Goldrausch eine interessante Parallele – offensichtlich wurde auch während des Goldrausches der Umwelt viel Schaden zugefügt. Heute sind globale ökologische Bedenken aber gegenwärtiger und spielen auch für Anleger eine größere Rolle.
Häufig hört man, dass Bitcoin-Mining als Export für überschüssige Energie – etwa aus Wasserkraftwerken – genutzt wird, wenn diese die lokale Nachfrage übersteigt. Wäre das kein Faktor, der berücksichtigt werden sollte?
Mark Dowding: Es macht durchaus Sinn, Energie dort zu verbrauchen, wo sie am billigsten ist. Viele Miner mögen deshalb auch saubere Energie nutzen, doch andere Verbraucher müssen dadurch notwendigerweise auf schmutzigere Energieformen ausweichen. Ein anderer Punkt, der hier zu beachten ist, ist, dass der Anreiz zum Mining steigt, je höher der Preis ist. Sollte es bisher beispielsweise kaum wettbewerbsfähig gewesen sein, Energie aus einem Kohlekraftwerk zu nutzen, wird dies in der Zukunft rentabel werden.
Könnte eine Reifung des Marktes, der Vorschriften und der Technologie Kryptowährungen ESG-konformer machen?
Mark Dowding: Das ist eine sehr interessante Frage. Ich denke, dass dies aus ESG-Sicht wahrscheinlich immer bedenklich bleiben wird: Weil die eigentliche Attraktivität von Kryptowährungen in ihrer unregulierten Natur außerhalb der Zuständigkeit der Regierungen liegt. Da niemand kontrolliert, ist mir nicht klar, wie es zu einem Anreiz für mehr Nachhaltigkeit kommen soll. Nur weil ein Bitcoin-Miner ethisch handelt und saubere Energie nutzt, heißt das nicht, dass andere dasselbe tun müssen. Folglich denke ich, dass ESG-Überlegungen niemals im Vordergrund der Funktionsweise von Kryptowährungen stehen werden.