2. Juli 2025

Ukraine und Russland: Wirtschaft leidet

Die Aussichten für die Wirtschaft der Ukraine verdüstern sich. Im ersten Quartal 2025 wuchs das Land Schätzungen zufolge annualisiert nur mehr um 1% gegenüber noch 2,9% im vergangenen Jahr. Aber auch bei Aggressor Russland trüben sich die Wachstumsaussichten ein.

Für 2025 prognostiziert das Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw) der Ukraine ein Wachstum von 2,5%, eine Revision nach unten um 0,5 Prozentpunkte gegenüber dem Frühling. Positive Impulse durch die starke Konsumnachfrage und eine robuste Industrieproduktion – vor allem in der Rüstungsindustrie – können die Schäden durch den russischen Angriffskrieg aber nicht kompensieren.

Der Westen ist gefragt

Olga Pindyuk, Ukraine-Expertin des wiiw
Olga Pindyuk, Ukraine-Expertin des wiiw

„Die Ukraine leidet unter einem Mangel an Luftabwehrraketen, was zu enormen Zerstörungen bei der kritischen Infrastruktur durch russische Drohnen- und Raketenangriffe führt. Auch der sich zuspitzende Arbeitskräftemangel durch die Mobilisierung für den Krieg lastet schwer auf der Wirtschaft“ , sagt Olga Pindyuk, Ukraine-Expertin des wiiw.

Die Inflation hat sich zwischen April und Mai weiter beschleunigt und liegt nun bei rund 16%. „Das hat die Notenbank dazu gezwungen, den Leitzins bei hohen 15,5% zu belassen, was das Wachstum natürlich dämpft“ , so Pindyuk. Dazu kommen die Auswirkungen einer heuer aufgrund von Trockenheit erwartbar schlechten Ernte und das vorläufige Ende der Zollerleichterungen für Agrarexporte in die EU. Für das stark von der Landwirtschaft abhängige Land sind das schlechte Nachrichten. „Die Wirtschaftsentwicklung in der Ukraine steht und fällt aber letztlich mit der finanziellen und militärischen Unterstützung durch den Westen. Sollte sich Trump davon verabschieden und sollten die Europäer einen Ausfall der USA nicht kompensieren können oder wollen, hätte das sehr negative Konsequenzen“ , warnt Pindyuk.

Russlands Wachstum halbiert sich

Vasily Astrov, Russland-Experte des wiiw
Vasily Astrov, Russland-Experte des wiiw

Auch bei Aggressor Russland trüben sich die Aussichten ein. Nach zwei starken Jahren durch die hohen Ausgaben für den Krieg dürfte sich das Wachstum 2025 gegenüber dem Vorjahr (4,3%) auf 2% halbieren. Für 2026 rechnet das wiiw mit einer weiteren Abschwächung auf 1,8%, eine Revision nach unten um 0,7 Prozentpunkte gegenüber dem Frühjahr. In den ersten vier Monaten des laufenden Jahres wuchs die Wirtschaft auf Jahresbasis nur mehr um 1,6% und die Industrieproduktion um 1,2%. „Der Zuwachs bei der Industrieproduktion ist zum Großteil auf die Rüstungsindustrie zurückzuführen, während viele andere Industriebranchen stagnieren oder gar schrumpfen“ , sagt Vasily Astrov, Russland-Experte des wiiw.

Hauptverantwortlich für den Einbruch ist die geldpolitische Vollbremsung der Zentralbank, um die Inflation in den Griff zu bekommen. Diese ist mittlerweile auf annualisiert rund 6% gesunken. Zwar hat die Notenbank in einem ersten Schritt die hohen Zinsen bereits wieder um einen Prozentpunkt gesenkt, allerdings liegen sie damit immer noch bei exorbitanten 20%. „Die hohen Zinsen würgen die Wirtschaft ab, weil Kredite damit unerschwinglich sind und auch ein hoher Anreiz besteht, Geld auf Bankkonten zu horten“, so Astrov. „Wenig überraschend droht auch eine Pleitewelle bei Unternehmen, die teilweise auch große Konzerne und Leitbetriebe erfassen könnte.“

Gesunkene Einnahmen

Hatte es im Frühjahr noch so ausgesehen, als ob die US-Sanktionen im Windschatten der Annäherung zwischen Trump und Putin beim Ukraine- Krieg bald gelockert oder aufgehoben werden könnten, hat sich diese Hoffnung für Russland vorerst in Luft aufgelöst. „Das ist ein weiterer wesentlicher Grund dafür, warum Russland 2026 langsamer wachsen dürfte als noch vor kurzem angenommen“ , erklärt Astrov. Dazu kommen die gesunkenen Einnahmen aus dem Ölgeschäft angesichts gefallener Preise und der Umstand, dass die Substitution von Importen aus dem Westen durch eigene Produktion zunehmend an ihre Grenzen stößt.

Sinkende Energie- und Steuereinnahmen werden 2025 auch das Budgetdefizit auf 1,8% des BIP steigen lassen, anstatt der ursprünglich von der Regierung veranschlagten 0,5%. „Das ist aber nicht bedrohlich. Die russische Regierung hat nach wie vor genügend finanziellen Spielraum aufgrund der noch vorhandenen fiskalischen Reserven und der Möglichkeit, bei heimischen Banken Kredite aufnehmen zu können“ , sagt Astrov.

wiiw/HK
Fotocredit: wiiw/Hans Schubert

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