Japan: Langer Weg aus der Krise
Felix Schmidt, Senior Economist bei Berenberg, wirft einen Blick auf die wechselhafte ökonomische Entwicklung Japans. Schon ab 2012 versuchte der damalige Premierminister, Shinzō Abe, Japan aus der jahrzehntelangen wirtschaftlichen Krise zu führen.
„Das damalige wirtschaftliche Programm umfasste neben schuldenfinanzierten Konjunkturprogrammen und Strukturreformen auch eine noch lockerere Geldpolitik, bei der der Leitzins in den negativen Bereich gesenkt und das Anleihekaufprogramm noch einmal deutlich ausgeweitet wurde. Doch selbst dieser koordinierte Versuch von Fiskal- und Geldpolitik, die Wirtschaft zu beleben und die Inflation in Richtung des 2-Prozent-Ziels zu bewegen, blieb im Großen und Ganzen erfolglos.“
Vorsichtige Normalisierung
„Erst durch die globale Corona-Pandemie kam es zu einer signifikanten Änderung der Situation in Japan. Gestörte Lieferketten und gewaltige Konjunkturprogramme weltweit ließen die Preise überall auf der Welt anziehen und erzeugten einen Schock, der groß genug war, um auch die japanische Inflation nach Jahr-zehnten wiederzubeleben. Die japanischen Importe verteuerten sich deutlich und wurden in Form höherer Preise an die Kunden weitergegeben. Diese forderten im Gegenzug höhere Gehälter, wodurch sich der externe Preisschock mit der Zeit in eine steigende heimische Nachfrage verwandelte. Infolgedessen zogen auch die Inflationserwartungen langsam wieder an. Dies eröffnete der Zentralbank den Spielraum, mit einer vorsichtigen Normalisierung der Geldpolitik zu beginnen.
Als letzte große Zentralbank beendete die Bank of Japan (BoJ) im März 2025 die Negativzinspolitik und hat seitdem den Leitzins sehr vorsichtig auf mittlerweile 0,5 % angehoben. Die steigenden Zinsen und Inflationserwartungen in Verbindung mit einem gewissen konjunkturellen Momentum lassen auch die Renditen japanischer Staatsanleihen steigen. Zinssteigernd wirkt zudem, dass die BoJ im Sommer 2024 damit begonnen hat, ihr Anleihenkaufprogramm zurückzufahren, wodurch sich die Nachfrage nach Schuldtiteln der japanischen Regierung verringert. So stieg die Rendite für japanische Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit im März 2025 auf knapp 1,6 Prozent und erreichte damit den höchsten Stand seit 2011. Anleihen mit 30-jähriger Laufzeit notierten zuletzt bei knapp 3,2 % und damit auf einem Allzeithoch.“
Kritischer Schuldenberg
„Die steigenden Zinskosten erschweren es der Regierung tendenziell, ihren Schuldenberg, der mittlerweile bei etwa 240 % des BIP notiert, zurückzufahren. Bis sich dieser Effekt der gestiegenen Renditen jedoch bemerkbar macht, wird es allerdings eine Weile dauern, da mehr als die Hälfte der ausstehenden japanischen Staatsanleihen erst in fünf oder mehr Jahren fällig wird. Zu beachten ist außerdem, dass ein Wiederanstieg von Wirtschaftswachstum und Inflation die Steuereinnahmen erhöht und somit positiv auf die Staatsverschuldung wirkt.
Die BoJ befindet sich derweil in einer schwierigen Situation: Die Kerninflation, die im April bei 3,5 % und damit deutlich über dem Zielwert von 2 % notierte, spricht eigentlich für weitere Leitzinsanhebungen. Gleichzeitig wirken sich die US-Zölle aber negativ auf die Konjunktur aus. Einerseits ist Japan insbesondere durch die Zölle auf Autos stark direkt betroffen und zum anderen wirkt sich auch eine Verlangsamung der chinesischen Wirtschaft aufgrund des Zollstreits mit den USA negativ auf die Nachfrage nach japanischen Produkten aus. Die BoJ wird daher bei weiteren Leitzinsanhebungen sehr vorsichtig vorgehen und den Leitzins bis zum Jahresende lediglich auf 1,0 % anheben, um die zaghaften Ansätze einer Normalisierung nach Jahrzehnten des ökonomischen Ausnahmezustands nicht zu gefährden.“
Berenberg/HK