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19. Dezember 2022

Zu viel Optimismus im Markt

Noch werden die Märkte von Zuversicht getragen: „Doch den Optimismus vieler Investoren mit Blick auf die sinkende Inflation und ein frühes Ende der Zinsanhebungen teilen wir nicht“, so Stefan Breintner, Leiter Research und Portfoliomanagement, DJE Kapital.

Stefan Breintner, Rohstoffexperte bei DJE
Stefan Breintner, Leiter Research und Portfoliomanagement, DJE Kapital AG

Aus markttechnischem Blickwinkel erhalten die Märkte weiter Unterstützung. Nach einem schwierigen Jahr sind Investoren nun zunehmend optimistisch für Aktien. Der Tiefpunkt an den Märkten dürfte laut Breintner aber noch nicht ganz erreicht sein: „Die kommenden beiden Quartale könnten sich abermals als schwierig erweisen, und die Wahrscheinlichkeit, dass die europäische und die US-amerikanische Wirtschaft in die Rezession rutschen, ist hoch.“

Korrekturen möglich

„Europa dürfte dabei eine stärkere Rezession erwarten als die USA. Eine geldpolitische Straffung und weitere Zinserhöhungen von Seiten der Notenbanken könnten daher zu einer weiteren Korrektur an den Märkten führen. Nach dieser erscheint jedoch ein erneuter Aufschwung an den Aktienmärkten möglich. Eine sich abschwächende Wirtschaft ist auch das, was die US-Notenbank Fed erreichen will, da diese die Inflation und den Arbeitsmarkt bremsen möchte.

Das Inflationsproblem dürfte in den USA unserer Meinung nach in rund ein bis zwei Jahren unter Kontrolle sein. Europa wird dagegen deutlich mehr Zeit benötigen, um die Inflations- und Energiethematik in den Griff zu bekommen. Die zukünftigen Inflationserwartungen des Marktes könnten sich daher als zu optimistisch herausstellen.“ 

Defensive Strategie

„Zu viel Optimismus hinsichtlich schneller Zinssenkungen im kommenden Jahr 2023 scheint deshalb nicht angebracht. Die Fed sowie die Europäische Zentralbank EZB werden wohl zunächst versuchen, die Zinsen auf einem höheren Niveau zu stabilisieren, bevor über mögliche Zinssenkungsschritte nachgedacht wird. Wir bleiben daher vorerst weiter bei unserer insgesamt defensiven Anlagepolitik. Der Euro könnte zunächst von falkenhafteren Aussagen der EZB zu weiteren Zinsschritten profitieren. Mittelfristig gehen wir aber nach wie vor von einer US-Dollar-Stärke aus: Schließlich sind die USA weitgehend energieautark, technologisch in vielen Bereichen führend und haben zudem den stärksten und tiefsten Kapitalmarkt.“

Fundamental schwierig

„Die Konjunkturaussichten sind sowohl für die USA als auch Europa und hier insbesondere Deutschland nicht rosig. Europa steht vor einer stärkeren Rezession. In den USA wird die Tiefe der Rezession auch von der Situation am Arbeitsmarkt abhängen. Dieser hat sich durch die Pandemie strukturell verändert. Der Arbeitsmarkt könnte daher angespannter bleiben als zunächst gedacht und die Arbeitslosenquote damit weniger steigen. Aufgrund der aktuell weiter sehr robusten US-Wirtschaft und des engen Arbeitsmarktes ist eine milde Rezession in den USA das derzeitige Basisszenario.

Von den USA ausgehend gibt es allerdings auch ein gewisses Risiko: Aufgrund von Verwerfungen bei Hedge-Fonds und Private-Equity-Firmen könnte es zu periodischen Finanzstabilitätsrisiken kommen unter anderem wegen deren Exposure zu problematischen Immobilienbeständen und einer quasi Verzwanzigfachung der Kreditkosten. Finanzstabilitätsrisiken bergen das größte Abwärtspotenzial für die USA: In solch einem Fall könnte der Euro temporär gegenüber dem US-Dollar aufwerten.“

Energiekrise hält an

„In der europäischen Energiekrise sorgte außerdem der warme Spätherbst zuletzt für eine kurzfristige Entspannung. Auf Sicht von einem Jahr könnte sich die Situation aber verschlechtern, da es im kommenden Jahr durch den Lieferstopp von russischem Gas beispielsweise deutlich schwieriger werden dürfte, die Gasspeicher wieder zu füllen. Der Winter 2023/24 dürfte daher problematischer werden als der Winter 2022/23. Wir rechnen damit, dass frühestens in etwa vier Jahren in Deutschland und Europa – etwa durch den Ausbau erneuerbarer Energien und neue Energiepartnerschaften – mehr Energie zur Verfügung stehen könnte.“ 

China: Neue Covid-Politik

„Die chinesische Regierung hat zuletzt damit begonnen, ihre strenge Null-Covid-Strategie zu lockern. Sollte China 2023 die Wirtschaft stärker öffnen und damit die Null-Covid-Strategie beenden, könnten Wirtschaft und Börse im Reich der Mitte von der Entwicklung profitieren. Darüber hinaus dürfte China auf der Immobilien- und vor allem der Infrastrukturseite weiter stimulieren. So wurde beispielsweise der lange geltende Grundsatz „Housing is for living and not for speculation“ erst jüngst fallengelassen. Außerdem dürfte der weitere Infrastrukturausbau den Rohstoffsektor unterstützen.

Im internationalen Zahlungsgefüge sind Länder wie Brasilien oder Mexiko derzeit allerdings attraktiver als China oder Russland. So haben Brasilien und Mexiko bei der Inflationsbekämpfung durch frühzeitige Zinserhöhungen einen relativ guten Job gemacht und sind derzeit wirtschaftlich ganz gut aufgestellt.“

USA im Vorteil

„Die US-Inflation wird wahrscheinlich auch in den kommenden Monaten zurückgehen, wobei die Kerninflation (ohne Nahrungsmittel und Energie) weniger stark fallen dürfte als die Gesamtinflation. Die Kerninflation könnte auch weiter bei über fünf Prozent liegen, was ein weiterhin vorsichtiges bzw. restriktives Vorgehen der US-Notenbank zur Folge haben dürfte. Es ist aktuell noch nicht ausgemacht, dass die Terminal-Rate in den USA bei etwa fünf Prozent liegen wird. Die Wahrscheinlichkeit ist jedoch hoch, dass diese darüber liegt und dann auch eine Weile auf diesem Niveau verharren wird. Die Fed wird daher ihre Geldpolitik nicht so schnell ändern.“

Druck auf EZB

„Auch der Druck auf die EZB, die Zinsen weiter zu erhöhen und damit zunächst weiter restriktiv vorzugehen, dürfte zunehmen, da die Inflation in Europa in struktureller Hinsicht auf einem höheren Niveau bleiben dürfte als in den USA. Die Inflationserwartungen des Marktes halten wir daher für zu optimistisch. Wir glauben nicht, dass die Inflation so stark zurückgehen wird.

Die Anlegerstimmung für Bonds bleibt weiterhin negativ. Bei den festverzinslichen Wertpapieren halten wir deutsche Staatsanleihen nach wie vor für unattraktiv. Dagegen bieten ausgewählte hochwertige Unternehmensanleihen aus unserer Sicht weiterhin Chancen. Attraktiv sind vor allem Emissionen, die aktuell bis zu fünf Prozent Rendite oder mehr bringen.“

Euro belastet

„Kurzfristig könnte der Euro gegenüber dem US-Dollar noch von möglicherweise falkenhaften Aussagen der EZB zu weiteren Zinsschritten profitieren. Längerfristig dürfte der Euro allerdings weiter belastet bleiben. Der Grund dafür sind die Entwicklung in Europa und hier vor allem in Deutschland durch die Energiepreisproblematik und die erwartete schwache Entwicklung der deutschen und europäischen Handelsbilanz. Der längerfristige strukturelle Trend der US-Dollar-Stärke ist dagegen ungebrochen. Mittelfristig sind auch neue Hochs beim USD/EUR-Wechselkurs denkbar, es sei denn, es kommt aufgrund von Verwerfungen zu strukturellen Instabilitäten im US-Finanzsystem.“

DJE Kapital AG/HK

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