5. Oktober 2022

Zentralbanken: Kampf gegen den Markt

Insbesondere während der Coronakrise haben die Zentralbanken für den Markt stets die Rolle des Retters in der Not gespielt. Doch nun positionieren sie sich fast alle Notenbanken gegen den Markt und damit gegen die Konsequenzen ihres eigenen Handelns. 

Olivier de Berranger, CIO bei LFDE
Olivier de Berranger, CIO bei LFDE

Olivier de Berranger, CIO bei LFDE, analysiert: „Das lässt turbulente Phasen an den weltweiten Börsen erahnen. Jüngstes Beispiel: die Bank of England. Während sie bereits Ende 2021 mit der Anhebung ihrer Leitzinsen begann und damit der Europäischen Zentralbank und sogar der Fed voraus war, kündigte sie am 28. September zur allgemeinen Überraschung ein Kaufprogramm für langlaufende britische Staatsanleihen mit einem voraussichtlichen Volumen von fast 75 Milliarden Euro an.“ 

Japan: Null-Zinsen 

„Die Bank of England ist nicht die einzige Zentralbank, die gegen den Markt agiert. Die Bank of Japan hält eisern an ihren Zinsen fest, die quasi bei null liegen – während sich ganz langsam die Inflation breitmacht und der Yen in schwindelerregendem Tempo gegenüber dem Dollar einbricht. Ergebnis: Sie muss Dollar für Yen verkaufen, um die Währung zu stützen. Doch dies führt praktisch zu nichts, solange eine weniger akkommodierende Geldpolitik ausbleibt. Im Kampf gegen den Devisenmarkt scheint die BoJ im Moment nicht allzu gut gerüstet zu sein.“

China: Schwacher Yuan

„Stärkere systemische Bedeutung hat die Schwäche des Yuan, der gegenüber dem Dollar auf seinen tiefsten Ständen seit 2008 tendiert. Die chinesische Zentralbank muss einen Wechselkurs festlegen, der über den Erwartungen des Marktes liegt, und das zum fünfundzwanzigsten Mal in Folge. Doch indem sie US-Staatsanleihen für Yuan verkauft, um den Abwärtsdruck auf ihre Währung zu mindern, trägt sie zum Anstieg der Renditen von US-Anleihen bei – was das Zinsgefälle zugunsten des Dollars noch verstärkt! Auch hier richtet sich die geldpolitische Maßnahme zum Teil gegen sich selbst.“

„Zerrüttet“

„Das Verhältnis zwischen Zentralbanken und Markt ist also völlig zerrüttet. Hauptakteur ist natürlich die Fed. Diese treibt unerbittlich ihre Zinserhöhungspolitik und damit die Stärkung des Dollars voran, um die Konjunktur zu bremsen und die Inflation zurückzudrängen. Es wird ihr gelingen. Denn die Inflation befindet sich zwar noch auf ihrem Höchststand, aber bestimmte Vorzeichen deuten auf ein Nachlassen hin, insbesondere im amerikanischen Immobiliensektor. Doch die Sparer leiden, die Unternehmen leiden – und werden es schwer haben, sich zu refinanzieren – und ganz allgemein leidet die gesamte nicht-amerikanische Welt unter einem sehr starken Dollar, der Rohstoffimporteure belastet und die Inflation in diesen Ländern weiter antreibt, vor allem in der Eurozone.“

Fed: Retterin des Marktes?

„Doch wenngleich sich die Fed im Krieg gegen den Markt befindet, ist das – so sagt sie – zu seinem langfristigen Wohl, weil die Inflation die Realeinkommen aus Arbeit und Finanzanlagen vernichtet. Auf lange Sicht bekommt dieser Kreuzzug der Fed einen Sinn. Sie könnte also zur Retterin des Marktes werden.“

LFDE/HK

Zum Newsletter anmelden

Bestellen Sie kostenfrei und unverbindlich den GELD-Magazin Newsletter, als optimale Ergänzung zur Print-Ausgabe von GELD-Magazin!
Zwei Mal im Monat versenden wir den Newsletter mit Themen rund um den Finanzmarkt und Wirtschaft.

Sie haben sich erfolgreich eingetragen.