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31. Januar 2023

Wie man Privatanleger (nicht) betreut!

Die Betreuung von Privatanlegern ist prozessual anspruchsvoll und wirtschaftlich herausfordernd. Die User-Experience muss top sein, kosten darf es (fast) nichts und der Regulator – in Deutschland wie in Österreich – stellt, zu guter Recht, hohe Anforderungen an Compliance, IT, Prozesse, Steuerabfuhr und Datensicherheit.

Dr. Martin Foussek, Simpel S.A.
Dr. Martin Foussek,
Simpel S.A.

Gerade in Österreich, einem relativ gesehen kleinen Markt, führt dies zu Herausforderungen – sowohl für etablierte Anbieter als auch für sogenannte Neos – meist digitale agierende Anbieter, die versuchen, am Frontend, in der Vermarktung, in der Abwicklung oder sonst an einer Stelle der Wertschöpfungskette etwas besser zu machen. Letztlich muss aber die regulatorische Pflicht erfüllt und die damit verbundenen Kosten gedeckt werden. Und je heterogener das Angebotssektrum ist, desto komplexer wird die Abwicklung eines solch umfassenden Angebots, auch wenn es der Privatanleger nicht sehen soll bzw. sehen will, und – das sei mir erlaubt hier anzuführen – auch nicht brauchen würde.

Der Wettbewerb dünnt sich aus .. und damit das Angebot

Die Hintergründe, weshalb DEGIRO das Österreich-Geschäft auf Flatex übertragen hat, weshalb die Hello Bank von der BAWAG Group geschluckt und in die easybank integriert wurde, weshalb die ING Österreich ihr Geschäft an die bank99 verkauft hat und weshalb der white-label Anbieter FIL Fondsbank (FFB) den österreichischen Markt aufgegeben hat, mögen stets individuelle und sicherlich nicht zu generalisierende sein. Sicher ist aber – und dies bestätigen viele Branchenkenner – dass die Anforderungen der Regulatorik nicht geringer, die prozessuale und damit technische Umsetzung nicht günstiger und damit unter dem Strich die Profitabilität für Anbieter im Privatkundensegment nicht besser wird. Viele etablierte Anbieter versuchen – nicht unbegründeter Weise – Anleger unter bestimmten Vermögensschwellen zu meiden. Das Geschäft mit (kleinen) Privatanlegern zahlt sich nicht aus. Doch was tun?

Eines sei hier vorangestellt: Dem Regulator gebe ich nicht die Schuld, auch wenn es dem geneigten Leser naheliegend erscheint. Das wäre zu einfach und letztlich nicht zielführend. Schuld sind meines Erachtens jedoch zwei Realitäten:

Weniger ist mehr

Einerseits ein strategischer Fehler im Produktangebot; eine falsche Markteinschätzung: Schuld ist die vermeintliche Notwendigkeit, allen alles und in jeder Facette anzubieten. Was meine ich damit? Ein Großteil des Problems, Privatanleger effektiv zu betreuen, liegt in der Breite des zu Verfügung stehenden Angebots. Ich traue mich zu behaupten, dass zumindest 80% der heute noch nicht am Kapitalmarkt partizipierenden (potenziellen) Anleger langfristig nur ganz, ganz wenige Produkte benötigen würden. Keinesfalls brauchen sie aber Day-Trading, keinesfalls Derivate, keinesfalls komplexe Finanzprodukte, Hedging-Strukturen, Lebensversicherungs-Hüllen, vermeintliche staatliche Garantien oder Förderungen und auch nicht Kryptowährungen. Ein schlichter, einfacher Sparplan auf einen nicht komplexen, long-only Investmentfonds würde es schon tun, um viele Milliarden Euro, die heute noch auf Sparbüchern und Sichteinlagen verhungern, langfristig einer sinnvollen Rendite zuzuführen und sie für den Kapitalmarkt zu aktivieren.

Aus einer Hand

Andererseits liegt der Fehler aber auch darin, dass die allermeisten Anbieter mit sehr zersplitterten Wertschöpfungsketten agieren. Der eine bietet die Depotführung an, der andere die Investmentprodukte, der Dritte hat die Kundenbeziehung und auch die IT ist oft an Lizenzgeber ausgelagert. Sie wissen, was ich meine. Doch was ist zentral? Zentral ist mehr als man glauben mag, zumindest im Retail-Markt: Depotführung, Produktangebot, Compliance & Reporting und die dafür erforderlichen Prozesse, damit natürlich auch die IT. Mir ist klar, dass damit ein Großteil der Wertschöpfungskette gemeint ist, aber – leider wahr – ohne diese Fähigkeiten in-house zu haben exponiert man sich auf jeden Fall kostenseitig Dritten, wenn man nicht sogar strategisch handlungsunfähig zu werden droht, sollte auch nur ein Auslagerungspartner nicht mitziehen wollen oder dies nur unter erheblichen Kosten können. Und wir alle wissen: Eine auch nur kleine regulatorische Änderung kann neue Vertriebsprozesse, neue Reporting-Anforderungen, neue Produkt-Features erfordern. Und je mehr Partner dafür involviert werden müssen, desto weniger zahlt sich das Geschäft insgesamt aus – für den Kunden und/oder den Anbieter. Erst recht nicht in einem absolut betrachtet kleinen Markt wie Österreich. Ein Verweis auf die aktuelle Diskussion zur Einführung (oder muss man sagen: Nicht-Einführung) des PEPP, das mit einem Kostendeckel von 1% p.a. nicht viel Spielraum für Vertriebe bei gleichzeitig hohem Aufwand an bestehende IT-Systeme mit sich bringt, scheint diese These zu belegen.

So kann es gehen

Und damit schließt sich der Kreis: Eine zersplitterte Wertschöpfungskette bei gleichzeitig komplexem Angebot wirkt mittel- bis langfristig prohibitiv, verringert das (sinnvolle) Angebot für Privatanleger und führt, im schlimmsten Fall, zu „verbrannter Erde“ auf der Seite der Kunden oder Vertriebspartner. Nur mit einer integrierten Wertschöpfungskette und einem weitestgehend standardisierten, und damit auch automatisierbaren Angebot können wir den Kuchen für alle vergrößern – und zu vergrößern gäbe es viel: Denn in Österreich werden rund 250 Mrd. Euro, in Deutschland rund 2.000 Mrd. Euro in täglich fälligen (Sicht-)Einlagen gehalten. Eine volkswirtschaftliche Kaufkraftzerstörung, die nur durch ein simples Angebot und eine (wieder) integrierte Wertschöpfungskette gestoppt werden kann.

Der Autor Dr. Martin Foussek ist Mitglied des Verwaltungsrats der Simpel S.A., einer in Luxemburg ansässigen Verwaltungsgesellschaft, die über Zweigniederlassungen in Österreich und Deutschland mehr als 20.000 Anteilsscheindepots für Privatanleger verwaltet. www.simpel.lu/funds

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