Von alten und neuen Aktionären
„Was lange währt, wird endlich gut“, heißt es. So gesehen sollte das „Bundesgesetz über die Durchführung virtueller Gesellschafterversammlungen“ ein Meilenstein werden.
Wir sind nun in der vierten Hauptversammlungssaison, seit im Frühling 2020 Corona-bedingt das sogenannte Gesellschaftsrechtliche Covid-19-Gesetz und die Gesellschaftsrechtliche Covid-19-Verordnung die Rechtsbasis für virtuelle HVs von (börsenotierten) AGs in Österreich legten. Nach der HV-Saison 2020 kam die Diskussion auf, Bewährtes daraus ins Dauerrecht zu übernehmen, also auch nach der Pandemie virtuelle & hybride HVs gesetzlich zu ermöglichen. Seitdem gab es mehrere Prolongationen der oben angeführten Sonderregeln und einen Mix aus virtuellen, hybriden und Präsenz-HVs.
Anfang Februar 2023 startete die EVN, eine der großen Publikumsgesellschaften, mit einer gut besuchten traditionellen Präsenz-HV in die Saison. Die RBI, ebenfalls eine Austro-AG mit viel Aktionärspublikum, hatte hingegen schon 2022 avisiert, ihre HV weiterhin hybrid (Aktionäre im Saal und zugeschaltet) abhalten zu wollen. Und Fans der rein virtuellen HV argumentieren mit dem (verkehrsfreundlichen) Erreichen von viel mehr verstreuten Aktionären. Gegner argwöhnen hingegen, dass man virtuell unangenehme Tagesordnungspunkte leichter abhandeln könne und man sich das Buffet ersparen wolle. Die Pros und Contras führten etwa bei der Jahreskonferenz 2022 des Cercle Investor Relations Austria (CIRA) im Panel „Wie wird die HV in Zukunft aussehen?“ zu einer heftigen Diskussion.
Was kommt?
Fakt ist, dass es zwar inzwischen den Entwurf eines „Bundesgesetzes über die Durchführung virtueller Gesellschafterversammlungen“ aus dem Justizministerium gibt, aber noch kein offizielles Begutachtungsverfahren dazu. Das Thema ist auf der Prioritätensetzung der schwarz-grünen Bundesregierung wohl nicht top angesiedelt.
Österreichs „Mister HV“, Notar Rupert Brix, der über Jahrzehnte schon Hunderte HVs von börsenotierten AGs notariell betreut hat, erwartet für die Saison 2023 jedenfalls viele Präsenz-HVs. Aus dem Kreis der „besonderen Stimmrechtsvertreter“ der Vorjahre ist zu hören, dass es aber auch Anmeldungen für virtuelle HVs gebe.
Was ist wichtig?
Bei den traditionellen Aktionären des heimischen Streubesitzes scheint der Wunsch nach (Rückkehr zu) Präsenz-HVs zu überwiegen. Aber wie schaut es bei potenziellen neuen, jüngeren aus? Wie wichtig sind ihnen HVs, ihre Form und Inhalte?
Die Österreichische Plattform für Investmentwissensvermittlung „Finanzen verstehen“, die tendenziell jüngere Kapitalanlageinteressierte anspricht, hat 2022 eine Umfrage in ihrer Community zum Thema HVs gemacht. An die 500 Interessierte (eine hohe Rücklaufquote) haben geantwortet, primär aus der Altersgruppe 18 bis 35 Jahre. Das Meinungsbild: Für jüngere Aktienaffine in Österreich haben HVs keine große Bedeutung für ihre Anlageentscheidungen: Die Frage „Warst du schon bei Hauptversammlung(en) von AGs?“ beantworteten nur neun Prozent mit Ja. Dass Junganleger, unabhängig ob sie HVs nützen oder nicht, aber grundsätzlich wissen, was dort passiert, zeigten die relativ ausgeglichenen Antworten auf die Frage „Was hältst du bei HVs für das Wichtigste?“: Für jeweils rund ein Drittel war „gute/viele Infos vom Vorstand und Aufsichtsrat bekommen“, das „Abstimmen können“, bzw. das „Rederecht und Fragen stellen können“ das Wichtigste.
Was die Form, das Format, von HVs betrifft, gingen die Meinungen der 18- bis 35-jährigen Austro-Privatanleger weiter auseinander: Zur Frage „Welche HV-Form gefällt dir am besten?“ bevorzugten 43 Prozent „Präsenz-HV: alle in einem Saal“. 14 Prozent waren für „virtuelle HV: digital via Bildschirm“. Die relative Mehrheit fand das Gute aus beiden Welten am besten: 44 Prozent favorisierten die „hybride HV: Saal plus digitale Teilnahmemöglichkeit“. Unabhängig von der HV-Form haben Junganleger Idealvorstellungen zu diesen Events: Mit „Meine ideale HV“ verbanden fast zwei Drittel der Antworter das Merkmal „zeitlich & informationsmäßig kompakt“. Mit deutlichem Abstand folgten die Idealbilder „viele (kritische) Fragen & viel Diskussion“ sowie „viele Abstimmungen, viel Aktionärsdemokratie“ (für jeweils unter 20 Prozent).