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1. September 2020

US Wahl – Auswirkungen auf Europa

David Zahn, Head of European Fixed Income bei Franklin Templeton, erläutert die Folgen der US-Wahl für Europa und die Gründe, warum viele politische Ideen Bidens den Ansichten der Europäer näher sind.

Bei der US-Präsidentschaftswahl im November tritt Donald Trump gegen den Demokraten Joe Biden an, einen langjährigen Politiker, der einen progressiveren Politikansatz vertritt.

Vor vier Jahren konnte Trump mit seiner nationalistischen Wortwahl und seinem Fokus auf „Making America great again“ bei vielen Amerikanern punkten, auch wenn dies Spannungen mit anderen Ländern zur Folge hatte. Die Beziehungen zwischen den USA und China sowie den USA und Europa wurden belastet.

Bei einer zweiten Amtszeit Trumps dürften die Beziehungen zwischen den USA und Europa angespannt bleiben, und die Handelskriege, die seine Amtszeit prägten, fänden dann wohl eine Fortsetzung. Europa steckt zwischen einer nach innen gerichteten US-Politik und dem Handelskrieg mit China fest.

Der Trend zur Anti-Globalisierung dürfte sich fortsetzen, und es wird mehr einseitige Handelsbedingungen geben. Dies ist für Europa problematischer. Die Europäer handeln gerne multilateral – so funktioniert die Europäische Union (EU) mit ihren 27 Staaten, die sich zusammensetzen und für eine Vielzahl von Themen Kompromisse finden müssen. Dies bedeutet nicht, dass jeder Mitgliedstaat stets einverstanden ist, doch die Europäer agieren nach einem multinationalen Ansatz.

Somit wird ein Sieg Trumps mehr geopolitische Volatilität nicht nur für Europa, sondern rund um den Globus bedeuten.

Wünschen sich die Europäer Biden?

Falls Biden im November gewinnt, werden in mehreren Bereichen, einschließlich Handel und Umwelt, viele Maßnahmen Trumps rückgängig gemacht. In der Außenpolitik spricht er sich für einen multilateralen Ansatz (ähnlich wie die Europäer) und für die erneute Annäherung an Länder aus, die unter Trump derzeit etwaig ins Abseits geraten sind.

Ein weiterer wichtiger Schwerpunkt für Europa ist die Haltung Bidens zur Erderwärmung. Er kündigte ein zwei Billionen US-Dollar schweres Klimawandel-Paket an, das die Förderung sauberer Energie und die Reduzierung von Treibhausgasemissionen sowie die Verbesserung der Infrastruktur vorsieht. Sein Plan deckt sich in weiten Teilen mit dem Sieben-Jahres-Haushalt und dem Aufbaufonds der EU, die stark auf eine grünere Wirtschaft ausgerichtet sind. Dieses Thema könnte die Kluft überbrücken und beide Seiten näher zusammenbringen.

Trump zog sich aus dem Pariser Abkommen zurück, einer multinationalen Verpflichtung von rund 190 Ländern zur Senkung der Treibhausgasemissionen. Biden würde die USA vermutlich wieder beitreten lassen und so die Bande mit Europa wieder fester schüren.

Falls die USA und Europa bei dem Erfordernis der Bekämpfung des Klimawandels und der Ökologisierung der Wirtschaft wieder zusammenrücken, dürfte dies für mehr Innovation an den Finanzmärkten sorgen, beispielsweise für mehr grüne Anleihen oder andere Wertpapiere zur Finanzierung dieser Projekte. Aus meiner Sicht würden die Europäer diese Entwicklung wirklich begrüßen, denn sie möchten die Emissionen verringern und sind bereit, dafür Geld in die Hand zu nehmen.

Unter Biden Steuererhöhungen befürchtet

Allerdings gibt es für die Märkte bei einer Biden-Präsidentschaft zwei wichtige Bereiche der Sorge oder Unsicherheit. Generell werden Steuererhöhungen befürchtet, und die Unsicherheit um die künftige US-Steuerpolitik wird an den Märkten weltweit spürbar sein. Auch Deregulierung ist ein Thema. Unter Trump gab es einen starken Deregulierungsschub. Wenn es strengere Regeln gibt, könnte dies für viele Unternehmen Hürden errichten.

Unter beiden Kandidaten dürften die Ausgabenprogramme jedoch eine Fortsetzung finden. Die Republikaner gelten in fiskalischen Fragen in aller Regel eher als konservativ, doch unter Trump ist dies insbesondere aufgrund von COVID-19 und dessen vermutlicher Fortdauer bis ins Jahr 2021 nicht der Fall.

Gleich, welcher Kandidat siegt, wird sich die Dynamik an den weltweiten Anleihenmärkten nach unserer Auffassung kaum ändern. Ohne die COVID-19-Krise sähe die Lage vermutlich ganz anders aus. Doch angesichts der Flutung der Welt mit Liquidität durch die Zentralbanken erwarte ich nur aufgrund eines Wechsels im Präsidentenamt keinen massiven Anstieg der Renditen. Es gibt nach wie vor ausreichend Liquidität zur weiteren Beruhigung der Märkte, und dies könnte die in einem Wahlzyklus sonst übliche Volatilität etwas dämpfen.

Auch wenn die Politik bei einer neuen US-Administration anders aussehen wird, ändern wir unseren Ansatz für Anleihen-Investments vorerst nicht.

Wir bevorzugen nach wie vor Unternehmensanleihen sowohl aus dem Investment-Grade- als auch dem Hochzinssegment, da sie aus unserer Sicht gutes Wertpotenzial bieten. Darüber hinaus schätzen wir Staatsanleihen europäischer Nicht-Kernländer, einschließlich Italiens, Portugals und Sloweniens sowie kleinerer Länder wie Zypern, die durch die Europäische Zentralbank weiterhin deutliche Unterstützung erfahren dürften.

Das europäische Rettungspaket über 750 Milliarden Euro, das den unter der COVID-19-Pandemie leidenden EU-Mitgliedstaaten unter die Arme greift, hat die europäische Integration bekräftigt und bietet dem Markt Stabilität. Die Prämie, die ein Anleger für europäische Vermögenswerte angesichts des Risikos eines potenziellen Zusammenbruchs Europas zahlen muss, ist gesunken, und dies wird sich ungeachtet der US-Wahl nicht ändern. Allerdings werden wir die Entwicklungen jenseits des Großen Teiches auf jeden Fall weiter beobachten.

Franklin Templeton/sj
Fotocredit: Alamy

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