Rezession: Das unbekannte Wesen
Die täglichen Schlagzeilen verwirren: Einmal rutscht die Welt in die Rezession ab. An anderer Stelle heißt es hingegen, dass alles gar nicht so schlimm für die Wirtschaft ausfallen wird. Wer soll sich da noch auskennen?
„Wir erwarten eine Rezession auf beiden Seiten des Atlantiks“, so AXA IM. Laut WisdomTree bleibt die Rezession bis ins erste Quartal 2023 hinein ein Hauptrisiko. Vanguard schließt die Möglichkeit einer Double-Dip-Rezession in der zweiten Jahreshälfte 2023 nicht aus.
Stagnation statt Rezession
Auf der anderen Seite prognostiziert zum Beispiel DWS ein halbes Prozent Wachstum für den europäischen Wirtschaftsraum 2023. Peter Brezinschek, Chefanalyst von Raiffeisen Research, glaubt nicht an eine Rezession in Österreich und ist mit dieser Meinung nicht allein. Das WIFO geht in seinem jüngsten Konjunkturausblick von einem leichten Wachstum in der Alpenrepublik aus.
Technisch oder tief?
Verwirrend. Kommt nun die Rezession, oder kommt sie nicht? Antwort: Das ist Definitionssache. Wer in der Schule lange genug mit Latein vollgestopft worden ist, dem dämmert, dass Rezession etwas mit „Recessus“, also Rückgang, zu tun hat. Eine Rezession in ökonomischen Sinn liegt dann vor, wenn die Wirtschaft innerhalb von zwei aufeinanderfolgenden Quartalen zurückgeht. Man spricht dann von einer „technischen Rezession“, die nicht selten und in Wirklichkeit wenig dramatisch ist. Denn auf den Abschwung folgt in der Regel der Aufschwung.
Wirklich garstig ist hingegen eine tiefe Rezession. Hier kommt es zu breiten Problemen am Arbeitsmarkt, in Industrie und Handel; Kreditvergabe und Unternehmensprofite leiden. Etc., etc. So eine scharfe Rezession soll uns eben nicht blühen, sondern nur eine „technische“, so der Konsens der Ökonomen. Das ist die gute Nachricht.
Hohe Unsicherheit
Und hier die Bad News: Noch selten war die Prognoseunsicherheit so hoch wie heute. Ukraine-Krieg, Energie-Krise, Klimawandel und ein möglicher Wirtschaftskrieg aller großen Blöcke (USA, Europa, Asien) steigern die Unberechenbarkeit.
Zusammengefasst: Nach derzeitigem Ermessen sollte uns die tiefe Rezession erspart bleiben. Aber wie heißt es so schön in Musils „Mann ohne Eigenschaften“: „Nun es könnte wahrscheinlich auch anders sein.“ Vielleicht orientiert man sich auch am Volksmund: „Der Wirtschaft geht es schlecht, wenn Dein Nachbar seinen Job verliert. Die Rezession ist da, wenn auch Du arbeitslos bist.“