Rally mit Rissen
Die Anleger würden sich gerade benehmen wie Kinder im Süßwarenladen, meint Bernhard Schmitt, Head of Equity bei LLB. Sie würden glänzende Versprechen kaufen, politisch verpackt, mit viel Zucker bestäubt. Daraus entsteht eine Rally mit Rissen.
Seit Donald Trump seine Zollrhetorik durch das Vokabular der Diplomatie ersetzt habe, würden die Märkte feiern. Erst gestern (20.5.) habe der Dax zum ersten Mal die Marke von 24.000 Punkten überschritten. Doch so verlockend diese Rally auch wirke – ihr Fundament sei brüchig.
Zölle first
Schmitt: „Donald Trumps Zollpolitik hat sich verändert – aber nur im Ton, nicht im Inhalt. Die angedrohten Strafzölle wurden nicht aufgehoben, sondern lediglich neu verpackt. Gesprächsbereitschaft klingt gut. Doch die Realität bleibt: Der Basiszollsatz liegt weiterhin bei zehn Prozent – mehr als zuvor. Die Märkte feiern trotzdem.
Doch die Rally lebt vom Gefühl, nicht von der Faktenlage. Denn Trumps America First ist kein vorübergehender Ausrutscher, sondern Teil eines strategischen Wandels. Der Protektionismus ist zurück – nicht als Schlagzeile, sondern als System. Und genau das macht ihn gefährlich. Sollte Trump erneut gegen China oder Europa vorgehen, drohen ernsthafte Konsequenzen: Lieferketten brechen, Investitionen stocken und Gewinne schrumpfen. So wird zum Beispiel das chinesische Wachstum je nach der Stärke der Zölle um 0.5 bis 2.5 Prozent belastet. Denn selbst wenn nach den Genfer Gesprächen einige Zölle reduziert wurden – die Richtung bleibt klar.“
Rückschläge drohen
„Ein weiterer Unsicherheitsfaktor liegt in der Markttechnik selbst. Nachdem viele Aktienindizes sich wieder in Richtung ihrer Allzeithochs bewegen (oder sie sogar erreicht haben), zeigen die Märkte erste Risse. Die Bewertungen vieler Unternehmen sind ambitioniert. Trotz des guten ersten Quartals 2025 erwarten die Analysten für den Gesamtmarkt im weiteren Jahresverlauf ein geringeres Gewinnwachstum als noch zu Jahresbeginn. Rund 60 Prozent der Unternehmen mussten ihre Prognosen nach unten anpassen.
Während die Investorenstimmung schon mal auf Schlagzeilen reagiert und von einem Extrem ins andere umschlägt, wird in der Realwirtschaft in einem derart unsicheren Umfeld kaum langfristige Investitionsentscheidungen getroffen. Sollte sich das in den – naturgemäß nachlaufenden – Konjunkturdaten niederschlagen, drohen Rückschläge. Wenn trotz sinkender Gewinne die Kurse weiter steigen, ist das keine gesunde Entwicklung, sondern ein Warnsignal. Wer das ignoriert, läuft blind in die nächste Enttäuschung. Unser Rat: Aktienquoten neutral halten, also maximal 50 % in einer ausgewogenen und passend diversifizierten Anlagestrategie in den Referenzwährungen Schweizer Franken, Euro oder US-Dollar.“
Höher gewichten: Europa
„Innerhalb des Aktienkorbes empfehlen wir, Europa gezielt höher zu gewichten. Noch vor wenigen Quartalen galt der Kontinent als Sorgenkind, doch inzwischen finden wir dort ein überdurchschnittliches Chancen-Risiko-Verhältnis vor. Während bislang vor allem defensive Werte gut liefen, sehen wir bei zyklischen Unternehmen Aufwärtspotenzial. Sie werden von einer wirtschaftlichen Erholung in Deutschland und Europa profitieren. Natürlich sind auch Europas Börsen nicht immun gegen globale Risiken. Aber anstatt der nächsten rhetorischen Volte aus Washington hinterherzujagen, lohnt sich ein ruhiger Blick auf den Kontinent, der zuletzt zu oft übersehen wurde.“
LLB/HK