16. November 2023

Investoren: Geopolitik im Fokus

Der sich verschärfende Großmachtwettbewerb zwischen den USA und China hat die Ära der weltumspannenden wirtschaftlichen Kooperation beendet. Investoren müssen die Geopolitik wieder stärker in ihre Anlageentscheidungen einbeziehen, wie eine Studie von Union Investment zeigt.

Sandra Ebner, Senior Economist bei Union Investment
Sandra Ebner, Senior Economist bei Union Investment

„Die Ära der Globalisierung war nur ein Intermezzo von etwa 30 Jahren. Die Geopolitik dominiert wieder die Wirtschaft. An die Stelle der ökonomischen Effizienz tritt mehr und mehr das Sicherheitsdenken und staatliche Interessen stehen über Unternehmensinteressen“, sagt Studienautorin Sandra Ebner, Senior Economist bei Union Investment. Der Grund: China erhebt Anspruch auf eine globale Führungsrolle und fordert damit die USA heraus.

Weitblick gefordert

Michael Herzum, Leiter Makro & Strategy bei Union Investment
Michael Herzum, Leiter Makro & Strategy bei Union Investment

Für Anleger nimmt das Agieren von Staaten damit einen größeren Teil der eigenen Analyse ein. „Investoren müssen zum einen die Geopolitik, zum anderen staatliche Instrumente wie Industriepolitik, Exportbeschränkungen und Investitionskontrollen viel stärker im Blick haben. Denn Änderungen dieser Rahmenbedingungen können Geschäftsmodelle massiv beeinflussen“, erklärt Michael Herzum, ebenfalls Studienautor und Leiter Makro & Strategy bei Union Investment. Seine Empfehlung für Investoren: „Wer den Großmachtwettbewerb als Faktor in seinem Chancen- und Risikomanagement verankert, kann mögliche Gewinner und Verlierer schneller identifizieren und dies im Portfolio entsprechend umsetzen.“

Achillesferse: Taiwan

Ein zentraler Punkt des neuen Großmachtwettbewerbs ist die Taiwan-Frage. Hier prallen territoriale Ansprüche Chinas auf wirtschaftliche und sicherheitsstrategische Interessen der westlichen Welt. Aus Taiwan kommen heute neun von zehn High-Tech-Chips, die global Zukunftstechnologien wie künstliche Intelligenz, Cloud-Computing und autonomes Fahren antreiben.

„Zwar sehen wir derzeit kein akutes Risiko für einen militärischen Konflikt um Taiwan. Dennoch müssen Investoren jederzeit vorbereitet sein, wie der Krieg in der Ukraine zeigt“, sagt Ebner. Denn ein Konflikt um Taiwan hätte verheerende Folgen für die Weltwirtschaft: Der Handel zwischen China und dem Westen würde durch wechselseitige Sanktionen ausgesetzt. Taiwan könnte keine Halbleiter mehr liefern, was die Produktion vieler Güter auf der ganzen Welt lahmlegen würde. „Taiwan ist die Achillesferse des westlichen Wachstumsmodells”, so die Studienautoren. Der indopazifische Raum ist hingegen ein klarer Gewinner. Die Region ist im Bereich der Zukunftstechnologien deutlich besser aufgestellt als Europa und profitiert gleichzeitig von der Nachbarschaft zu China. 

Auswirkungen auf Investoren

„In einem globalen Aktienportfolio würden wir den China-Anteil deutlich senken und dafür die Allokation in asiatischen Schwellenländern sowie Japan, Australien und Neuseeland erhöhen. Aus dem Euroraum würden wir teilweise in europäische Länder außerhalb des Währungsraums umschichten“, erklärt Herzum.

Insbesondere die skandinavischen Länder seien technologisch gut aufgestellt und würden gleichzeitig über wichtige Rohstoffvorkommen verfügen. Auch könne Osteuropa als günstiger Zugang zum europäischen Markt für Investitionen aus Ost und West attraktiver werden. Der ohnehin hohe US-Anteil im Portfolio bliebe zunächst unverändert. Die USA gewinnen zwar als Investitionsstandort. Das bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass ausschließlich US-Unternehmen profitieren. Global agierende Unternehmen aus Deutschland können ebenfalls am Boom in anderen Regionen teilhaben.

Die Studie „White Paper Risikomanagement 2023″ finden Sie hier.

Union Investment/HK

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