EZB: Zwischen Inflation und Rezession
Die EZB läuft Gefahr, den Fehler von 2008 zu wiederholen und die Zinsen in eine Rezession hinein anzuheben. Eine weitere Zinserhöhung durch die Fed im November ist nicht auszuschließen. Angesichts der starken US-Arbeitsmärkte hat die Fed noch Spielraum für eine restriktive Politik.
Kommentar von Eric Vanraes, Portfoliomanager des Strategic Bond Opportunities Fund bei Eric Sturdza Investments:
Kaum war die Entscheidung der Europäischen Zentralbank veröffentlicht, wurde sie von Kommentatoren als „dovish hike“ bezeichnet. Viele hatten angesichts der sich abschwächenden Konjunktur in der Eurozone eine Pause im Zinserhöhungszyklus der EZB erwartet. Die EZB unterscheidet sich von der Federal Reserve durch einen direkteren und vor allem weniger nuancierten Ansatz.
Sollte nicht etwas Unvorhergesehenes geschehen, ist dies nach Ansicht der EZB die letzte Zinserhöhung vor einer langen Pause auf dem derzeitigen Zinsniveau. Die Inflation hat einen Stand erreicht, der diese restriktive geldpolitische Entscheidung rechtfertigt. Aber, die EZB spielt mit dem Feuer, da die Konjunkturabschwächung in einigen Regionen bereits zu einer Rezession geführt hat. EZB-Präsidentin Christine Lagarde und ihr Ausschuss laufen nun Gefahr, dass schlecht getimte Vorgehen von Jean-Claude Trichet vom Juli 2008 zu wiederholen. Damals hob die EZB die Zinsen zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt an, um der Inflation entgegenzuwirken – kurz vor der großen Finanzkrise.
Eine Politik der Zinserhöhungen zu Beginn einer Rezession fortzusetzen, erscheint ziemlich unbedacht. Aber zu behaupten, dies sei die letzte Erhöhung, wenn die Inflation noch nicht eingedämmt ist und Rohöl wieder mit der 100 Dollar Marke pro Barrel flirtet, kann bedeuten, die Rechnung ohne den Wirt zu machen. Angesichts der Wachstumsprognosen für die Eurozone ist es unwahrscheinlich, dass die bärischen Anleihemärkte deutlich steigen werden. Eine 10-jährige Bundesanleihe mit einer Rendite von 2,75 % scheint einen guten Einstiegszeitpunkt zu bieten für Anleger, die wieder in langlaufende europäische Staatsanleihen investieren wollen.
Ist die Fed auf dem gleichen Weg wie die EZB?
Eine weitere Zinserhöhung durch die von den Daten abhängigen Zentralbanker in Washington am 1. November durchaus denkbar. Die Fed kann ihrem europäischen Pendant aus zwei Gründen nicht folgen: Der erste Grund – der allein schon ausreichen würde – ist die makroökonomische Situation. Die Inflation scheint in den USA besser unter Kontrolle zu sein, während sich das Wachstum nicht gefährlich abschwächt. Deshalb sind die Märkte nicht immun gegen die Idee einer sanften Landung. Da sich der Arbeitsmarkt trotz der jüngsten leichten Abschwächung immer noch in guter Verfassung befindet, hat die Fed durchaus Spielraum für eine restriktive Politik.
Der zweite Grund, warum die Fed nicht zu früh einen Sieg verkünden sollte, ist politischer Natur. Sollte die Regierung Biden aus wahltaktischen Gründen im Jahr 2024 eine noch lockerere Fiskalpolitik verfolgen, müsste eine solche zusätzliche Unterstützung für den Verbraucher durch noch höhere Zinssätze seitens der Zentralbank ausgeglichen werden.
Disclaimer: Die hierin enthaltenen Ansichten und Aussagen sind die der Banque Eric Sturdza SA in ihrer Eigenschaft als Anlageberater des Strategic Bond Opportunities Fund vom 18. September 2023 und beruhen auf internen Recherchen und Modellierungen.
EricSturdza/SJ