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26. Februar 2021

Arbeitsminister Kocher: „Das Potenzial nützen“

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Mag. Harald Kolerus GELD-Magazin / Redakteur

Die Österreicherinnen und Österreicher sollten möglichst lange und gesund in der Arbeitswelt aktiv sein, meint Martin Kocher. Weiters spricht sich der Minister für eine überregionale Job-Vermittlung aus.

Der breiten Öffentlichkeit war Martin Kocher bereits als Leiter des IHS bekannt, jetzt führt er die Agenden des Arbeitsministeriums. Im Interview mit dem GELD-Magazin kristallisiert sich heraus, dass Kocher in der gegenwärtigen Situation vor allem auf Stabilität setzt. 

Bundesminister Martin Kocher
© BKA / Dragan Tatic

Sie haben mit der Überlegung für Aufsehen gesorgt, das Arbeitslosenentgelt zu Beginn zu erhöhen, später aber „ein wenig“ zu senken. Können Sie das Modell kurz vorstellen?

Martin Kocher: Generell halte ich eine Reform des Arbeitslosengelds zum jetzigen Zeitpunkt nicht richtig. Darüber kann man diskutieren, wenn sich der Arbeitsmarkt wieder etwas erholt hat. Das degressive Modell ist eine mögliche Variante, die wir nach der akuten Krisenbewältigung diskutieren können. Es geht hier darum, dass die Entschädigung am Anfang höher als jetzt liegt, und dann absinkt. Betroffene verlieren damit anfangs nicht so viel, wenn sie arbeitslos werden. Der Anreiz wäre dann aber größer als jetzt, sich schneller einen Job zu suchen.

Es ist sicher richtig, Arbeitslose zur Jobsuche zu animieren. Aber ist es nicht so, dass es schlichtweg an freien Stellen mangelt?

Martin Kocher: Corona ist natürlich eine Ausnahmesituation am Arbeitsmarkt. Trotzdem haben wir in Österreich derzeit rund 58.000 offene Stellen, die aber regional sehr ungleich verteilt sind. Die überregionale Vermittlung ist hier ein Baustein, mit dem Ziel, das vorhandene Potenzial bestmöglich zu nutzen. Es gibt bereits einige Pilotprojekte, die zum Beispiel durch die Bereitstellung einer Unterkunft und optimaler Betreuung vor Ort beim Umzug unterstützen. Es ist wichtig, das weiter zu stärken, vor allem nach Corona. Darüber hinaus ist es wichtig, auch zu berücksichtigen, dass viele der derzeit verfügbaren Stellen nicht beim AMS gemeldet sind und daher bei der Stellenvermittlung auch nicht aufscheinen. Es kommen auch ständig neue freie Stellen dazu, man darf die Dynamik des Arbeitsmarkts nicht unterschätzen. Es ist daher davon auszugehen, dass das tatsächliche Stellenangebot deutlich größer ist.

Stichwort Corona: Welche weiteren konkreten Hilfsmaßnahmen sind für den Arbeitsmarkt geplant?

Martin Kocher: Aktuell geht es um die Sicherung von Beschäftigung und Qualifizierung während der akuten Krisenbewältigung. Die Kurzarbeit ist derzeit sicher eines der wichtigsten Kriseninstrumente, mit der wir die Menschen in Beschäftigung halten. So haben wir in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern die Verlängerung der Kurzarbeit bis Ende Juni in ihrer derzeitigen, relativ großzügigen Form beschlossen. Das ist auch wichtig, weil die Pandemie noch nicht überstanden ist und wir in einigen Bereichen immer noch mit behördlichen Schließungen konfrontiert sind. Längerfristig ist meiner Meinung nach Qualifizierung der Schlüssel. Wenn wir jetzt qualifizieren, haben wir ausreichend gut ausgebildete Arbeitskräfte, wenn die Konjunktur wieder Fahrt aufnimmt. Das ist mir auch persönlich ein besonderes Anliegen in meiner Arbeit.

Seit Jahrzehnten wird eine Senkung der Lohnnebenkosten gefordert, wollen Sie hier neue Initiativen setzen?

Martin Kocher: Der Faktor Arbeit ist bekanntermaßen in Österreich stark belastet. Über eine Senkung der Lohnnebenkosten kann man meiner Meinung nach jedenfalls diskutieren, um Impulse für den Aufschwung zu generieren.

Ein Dauerbrenner der Arbeitsmarkt­politik ist ebenfalls die Anhebung der ­Lebensarbeitszeit. Müssen wir also bald bis 70 arbeiten? Außerdem sagt der Volksmund: Wenn die „Alten“ länger arbeiten, nehmen sie den „Jungen“ die Jobs weg. Stimmt das?

Martin Kocher: Das ist ein vielverbreiteter Mythos. Vielleicht in einzelnen Fällen, aber auf der Ebene der Gesamtwirtschaft ist das nicht der Fall, weil unterschiedliche Qualifikationen vorliegen. Menschen, die im Arbeitsprozess sind, haben zudem mehr Konsummöglichkeiten und schaffen damit auch zusätzlich Arbeitsplätze. Wenn Menschen länger im Arbeitsprozess sind, profitieren alle davon. Als Arbeitsminister ist es natürlich mein Ziel, die Menschen möglichst lang gesund in Beschäftigung zu halten. Wenn sich das faktische Pensionsalter an das gesetzliche annähert, haben wir schon einen großen Schritt gemacht.
www.bmafj.gv.at

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Mag. Harald Kolerus GELD-Magazin / Redakteur

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