Alte Kleidung neue Probleme
Österreich exportiert – wie viele andere europäische Länder – riesige Mengen an Second-Hand-Kleidung in Länder weltweit, oft unter dem Label von Wohltätigkeit oder Recycling. In der Realität schafft das aber auch riesige Probleme.
Ein Beispiel: In Uganda stellen diese Importe zwar günstige Kleidung und Einkommen für Tausende bereit, gleichzeitig schaden sie der lokalen Textilindustrie, überlasten die Abfallwirtschaft und gefährden die Lebensgrundlagen von Arbeiter:innen. Faith Irene Lanyero von der „Uganda Textile Garments, Leather & Allied Workers Union“ und Gertrude Klaffenböck, Koordinatorin der Clean Clothes Kampagne in Österreich und Textil-Expertin bei der österreichischen Menschenrechtsorganisation Südwind, gaben in Wien Einblicke in die Paradoxien globaler Textilströme.
Speed kills
Die Expertinnen geben zu bedenken: „Fast Fashion und Textilabfälle verursachen massive Umweltschäden und untergraben Arbeitsrechte. Rund 60 % der nach Uganda importierten Kleidung sind von schlechter Qualität und werden gemeinsam mit wiederverwendbaren Kleidungsstücken verpackt. Unbrauchbare Kleidung landet häufig auf Mülldeponien, was zu Umweltverschmutzung, verstopften Abflüssen und deshalb auch zu Überschwemmungen führt. Im August 2024 kam es auf der Deponie Kiteezi zu einem Einsturz eines Müllbergs auf Wohnhäuser – 21 Menschen kamen dabei ums Leben. Der Import von Second-Hand-Kleidung nach Afrika verdrängt häufig die lokale Textilproduktion.“
Gleichzeitig ist dieser Handel eine bedeutende Beschäftigungsquelle. In Uganda sind schätzungsweise 700.000 Menschen in der Second-Hand-Branche tätig, hauptsächlich im informellen Sektor. Lanyero: „Diese informellen Arbeitskräfte – größtenteils Frauen und junge Menschen – arbeiten unter prekären Bedingungen, sind geschlechtsspezifischer Ausbeutung ausgesetzt und kaum gewerkschaftlich vertreten.“
Es gibt viel zu tun …
Lösungen und Chancen für einen gerechten Wandel sind laut den beiden Expertinnen unter anderem:
• Mit EU-Gesetzen soziale und ökologische Gerechtigkeit im Handel fördern; globale Rechenschaftspflicht für Marken und Exporteure stärken
• Faire Arbeitsplätze in der zirkulären Textilwirtschaft schaffen; nachhaltige, lokale Textilproduktion fördern
• Informelle Arbeitskräfte anerkennen und unterstützen; Second-Hand-Importe schrittweise reduzieren, mit klaren Unterstützungsmaßnahmen
• Informelle Arbeiter:innen in politische Prozesse einbinden; in grüne Arbeitsplätze und lokale Wertschöpfung investieren
• Strengere Zollvorschriften für Second-Hand-Importe einführen; Überproduktion und übermäßigen Konsum durch Regulierung und politischen Wandel bekämpfen
Die Müllberge wachsen
Österreich ist ein wichtiger Absatzmarkt für (Ultra) Fast Fashion, die auf immer schnellere und billigere Produktionszyklen setzt. Laut den jüngsten verfügbaren Daten fielen in Österreich im Jahr 2022 rund 228.100 Tonnen Textilabfälle an – darunter Kleidung, Schuhe und technische Textilien. Etwa 67.000 Tonnen Textilabfall wurden 2022 exportiert, wovon schätzungsweise 42.000 Tonnen wiederverwendet wurden. Die Endziele dieser Exporte bleiben oft unklar, was auf einen erheblichen Mangel an Transparenz im globalen Handel mit Second-Hand-Textilien hinweist. Die Exporte erfolgen häufig über Nachbarländer oder Asien und landen schließlich auf afrikanischen Märkten – auch in Uganda.
Österreich am Zug
Österreich befindet sich aktuell in einer entscheidenden Phase hin zu einer nachhaltigeren Regulierung der Mode- und Textilindustrie. Drei zentrale EU-Rechtsinstrumente – CSDDD (Corporate Sustainability Due Diligence Directive), ESPR (Ecodesign for Sustainable Products Regulation) und die EPR (Extended Producer Responsibility) – sollen grundlegend verändern, wie Kleidung produziert, vermarktet und entsorgt wird. Ziel ist, dass Unternehmen Verantwortung für die ökologischen und menschenrechtlichen Auswirkungen entlang ihrer gesamten Lieferkette übernehmen – von der Produktion bis zum Lebensende eines Produkts.
Lanyero und Klaffenböck wollen motivieren: „Wenn diese Instrumente wirksam umgesetzt werden, bieten sie eine einmalige Chance, die Überproduktion und globale Müllverklappung durch Fast Fashion einzudämmen und den Weg für eine gerechtere, transparentere Textilwirtschaft zu ebnen. Allerdings gefährden aktuelle Entwicklungen innerhalb des sogenannten EU-Omnibus-Pakets diese Reformen – mit dem Risiko von Verzögerungen und Schlupflöchern, die die Verantwortung von Unternehmen für Menschenrechte und Umweltstandards abschwächen würden.“
Bad News dazu: Österreichs Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer hat sich offen gegen CSDDD ausgesprochen.
Südwind/HK