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12. Mai 2021

Die fast perfekte Welle

Harald Kolerus 2-e1666618640728
Mag. Harald Kolerus GELD-Magazin / Redakteur

Die Wirtschaft wird durch jahrzehntelange Zyklen geprägt, das besagt zumindest die Theorie des Ökonomen Nikolai Kondratieff. Auf die Praxis umgelegt, könnten wir uns jetzt in einer langen Welle der Ökologisierung befinden.

Nicht jedem ist der Name Nikolai Kondratieff ein Begriff. Dabei stellte der russische Ökonom (1892 bis 1938) eine äußerst interessante Theorie auf: Über die nach ihm benannten Kondratieff-Zyklen. Dieses Konzept besagt, dass sich die Wirtschaft in sehr langen Wellen bewegt, die durch krisenhafte Situationen, gesellschaftliche Umbruchstimmungen und revolutionäre Technologien befeuert werden.

Dampfmaschine bis Internet

Kondratieff-Zyklen erstrecken sich über lange, 40 bis 60 Jahre andauernde Aufschwünge, bevor sie sich in einem krisenhaften Abschwung entladen, um einem neuen Aufschwung Raum zu geben. Laut Kondratieff lassen sich fünf lange Zyklen seit der industriellen Revolution feststellen: Zunächst die von der Dampfmaschine ausgelöste Welle, auf die die Stahlindustrie und die Eisenbahn als neue Technologien folgten. Diese wurden von Chemie und Elektrifizierung abgelöst, bevor sich Petrochemie und das Automobil durchsetzten. Die bisher letzte Welle wurde von der Informationstechnologie geprägt.

„Schöpferische Zerstörung“

In einer aktuellen Analyse von Allianz Global Investors heißt es zum Thema: „Alle Wachstumswellen wurden von Krisen gebrochen, bevor der nächste neue Aufschwung aus ihnen hervorging. Sei es die Panik von 1837, die Gründerkrise des späten 19. Jahrhunderts, die große Depression der Dreißigerjahre des letzten Jahrhunderts oder auch die beiden Ölpreiskrisen der 1970er Jahre. Die ,schöpferische Zerstörung‘, wie es der österreichische Ökonom Joseph Schumpeter ausdrückte, stand immer am Beginn des Neuen.“ Und wie sieht  die Situation heute aus?

An Krisen fehlt es bekanntlich nicht: Derzeit wird alles von Corona überschattet. Aber wenn wir nur etwas weiter zurückblicken, finden wir etwa den Finanz-Crash von 2008 oder die noch immer nicht gelöste Schuldenproblematik der EU.

Größte Gefahr: Klimawandel

Gehen wir davon aus, dass diese Themen, eben auch Corona, auf kurz oder lang vom Tisch sind, bleibt immer noch eine Gefahr übrig: Der Klimawandel und seine disruptive Wirkung auf Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft. Hans-Jörg Naumer, Head of Global Capital Markets bei Allianz Global Investors, spricht in diesem Zusammenhang von einer grünen Welle des Wachstums: „Die Umwelt selbst ist ein knappes Gut geworden. Sie kann nicht mehr kostenlos verbraucht werden – das hätte ohnehin nie geschehen dürfen. Es geht um Green Growth. Der nächste Kondratieff wird ein grüner sein, und er hat bereits begonnen.“

Schaden: Sieben Billionen Euro

Tatsächlich beziffert eine Studie des Economist Intelligence Unit die Folgekosten des Klimawandels für die globale Ökonomie bis zur Mitte des Jahrhunderts auf über sieben Billionen Euro. Klar ist somit: Wenn nicht gegengesteuert wird, kommt uns der Klimawandel teuer zu stehen. Werfen wir einen Blick auf Österreich.

Jährlich bis zu 8,8 Milliarden Euro Schäden drohen der heimischen Volkswirtschaft durch die Erderwärmung bis 2050. Das zeigt die vom Klima- und Energiefonds finanzierte Studie „COIN – Cost of Inaction“. Kommen extreme Wetter-Ereignisse – wie ein Jahrhunderthochwasser – hinzu, können die Kosten bis Ende des Jahrhunderts allein im Gebäudesektor sogar um weitere 41 Milliarden Euro ansteigen.

„Herkulesaufgabe“

Der Kampf gegen den Klimawandel ist also notwendig aber nicht einfach. Franz Sinabell vom WIFO kommentiert: „Wir haben es nicht mit ,tief hängenden Früchten‘ zu tun, die einfach nur gepflückt werden müssen. So brauchen wir die Infrastruktur, um Ökostrom aus Erneuerbaren Energien dorthin zu befördern, wo er benötigt wird. Das umfasst Umrüstungen, etwa von Erdgas-Pipelines für den Wasserstofftransport.“

Prinzipiell bezeichnet Sinabell die De-Karbonisierung der Wirtschaft als Herkulesaufgabe: „Wir pumpen so viel fossilen Brennstoff aus der Erde, dass sich das schwierig mit alternativen Energien ersetzen lässt. Unternehmen benötigen jedenfalls die entsprechenden Rahmenbedingungen als Voraussetzung für Investitionen, Forschung und Entwicklung. Positiv ist, dass die EU bis 2050 eine klare Zielvorgabe definiert hat.“ Die „grüne Welle“ ist also im Laufen.

Fotocredit: stock.adobe.com

Harald Kolerus 2-e1666618640728
Mag. Harald Kolerus GELD-Magazin / Redakteur

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