KI: Keine Blase
Immer mehr Anleger stellen die Frage, ob die Begeisterung für KI den Markt in schnellen Schritten in Richtung einer Blase treibe, vergleichbar mit der Dotcom-Blase im Jahr 2000. Christophe Braun, Aktien-Experte bei Capital Group, verneint.
Der Profi: „Wir haben den entscheidenden Wendepunkt noch nicht erreicht; der Markt hat noch Luft nach oben.“ Wobei eine spätere Übertreibung nicht ausgeschlossen werden könne. Die passende Analogie zur Vergangenheit sei das Jahr 1998, als die Unternehmen der Dotcom-Ära noch am Anfang einer Rallye standen.
Fundamentals und Investitionswelle

Die heutigen „Hyperscaler“ – also die Anbieter von Internet- und Cloud-Plattformen wie Amazon, Microsoft und Alphabet – könnten massive Investitionen in Chips und Rechenzentren besser aus eigener Stärke finanzieren als die Telkom-Unternehmen der späten 1990er Jahre. „In Teilen wird die US-Wirtschaft durch diese Ausgaben sogar stabilisiert“, so der Experte. Der KI-Investitionszyklus umfasse Schätzungen zufolge rund sieben Prozent der US-Wirtschaftsleistung bzw. mehr als zwei Billionen US-Dollar. Ein solches Investitionsvolumen könne den Boom weiter nähren, solange die Ausgaben als strategisch „existentiell“ gelten würden.
Gleichzeitig weist Braun darauf hin, dass ein wichtiges Puzzlestück noch fehle: der große IPO-Schub. „Weder OpenAI noch andere prägende Start-ups wie Anthropic, Cohere, Mistral AI oder xAI sind bislang an der Börse“, stellt Braun fest. „Der eigentliche ‚Global-Crossing-Moment‘ 1998, als das Unternehmen, welches die Ära des Glasfaserausbaus geprägt hat, mit einem Kurs von 19 Dollar pro Aktie an die Börse ging und bereits neun Monate später zu 64 Dollar gehandelt wurde – dieser Moment steht damit noch aus Sobald detailliertere Einblicke in die Zahlen dieser Wachstumstories verfügbar werden, ist mit entsprechendem Marktinteresse und erhöhter Schwankung zu rechnen.“
Risken beachten
Als Risikobild skizziert der Experte, dass es zu einem späteren Zeitpunkt durchaus zu einer Blasenbildung kommen könne, die in einer „potenziell schmerzhaften“ Korrektur enden könne. Noch sei es jedoch nicht so weit. „Für Anleger bedeutet dies, dass Selektivität und ein Augenmerk auf Ertragskraft entscheidend bleiben“, so Braun. Er sieht in KI nicht nur eine technologische Evolution, sondern eine regelrechte Revolution, die sämtliche Wirtschaftssektoren grundlegend verändern werde: „Wir stehen erst am Anfang eines exponentiellen Wachstumszyklus, dessen gesamte Dimension aktuell noch schwer zu erfassen ist.“ Das habe zur Folge, dass Gewinner und Verlierer künftig stärker auseinanderdriften und dass Timing-Fehler kostspielig sein dürften.
Aus Marktperspektive ergebe sich daraus ein zweigeteiltes Fazit: Erstens sprächen die Unterschiede zur Dotcom-Blase – stärkere Cashflows der Marktführer, diszipliniertere Investitionskulturen, breitere Anwendungsfälle – gegen die Diagnose einer unmittelbar bevorstehenden Spekulationsblase. Zweitens erinnere die Historie dennoch daran, dass Übertreibungen erfahrungsgemäß erst später sichtbar würden, häufig dann, wenn Kapitalzuflüsse in die „Story“ schneller wüchsen als die nachweisbaren Produktivitätsgewinne.
Erwünscht: Preismacht
„Wir haben daher eine klare Präferenz für Akteure mit Zahlungsfähigkeit, klaren Pfaden zur Monetarisierung und Pricing-Power entlang der KI-Wertschöpfung. Dazu gehören Halbleiter, Infrastruktur, Plattformen und vertikale Anwendungen“, sagt Braun. Anleger sollten zudem bedenken, dass Produktivitätsgewinne oft zeitverzögert eintreten würden. Erwartungen müssten also an Umsetzungs- und Energiekapazitäten gekoppelt werden.
Jenseits der „offensichtlichen“ Gewinner des KI-Trends lohne der Blick auf Second-Order-Profiteure: „In den Bereichen Industrie, Energie, Gesundheit oder Finanzdienstleistungen, wo die KI-Einführung Effizienz und Margen steigern könnte, sehen wir großes Potenzial.“ KI werde als struktureller Treiber erhalten bleiben, wenn der Markt wahrscheinlich auch Wellenbewegungen durchlaufen werde: „Wer die Chancen nutzen will, darf die Story nicht meiden, sondern muss sie mit Stringenz kuratieren. Die Dynamik ist revolutionär, doch die Aufgabe für Anleger besteht darin, diese Revolution in tragfähige, diversifizierte Portfolios zu übersetzen.“
Capital Group/HK
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