Rohstoffe: Mehr als nur Gold
Während der Goldboom die Schlagzeilen dominiert, erhalten auch andere Metalle zunehmend fundamentale Unterstützung. Doch das aktuelle Investmentumfeld ist deutlich vielfältiger und dynamischer als man denkt, erklärt Iain Pyle, Senior Investment Director bei Aberdeen Investments im folgenden Marktkommentar.
Eine Reihe industrieller und strategischer Rohstoffe – darunter Kupfer, Silber, Platin, Uran und Seltene Erden – zeigen nicht nur starke aktuelle Entwicklungen, sondern auch überzeugende langfristige Potenziale.
„Gold war in den letzten Jahren der klare Spitzenreiter – mit einem Anstieg von über 130 % in drei Jahren und jüngst dem erstmaligen Durchbruch über die Marke von 4.000 $/Unze. Auch wenn vergangene Entwicklungen keine Garantie für die Zukunft sind, bleibt Gold historisch ein bewährter Wertspeicher in Zeiten von Inflation und geopolitischer Unsicherheit.
Zwar hat Gold als langfristige Vermögenssicherung die Richtung vorgegeben, doch wir beobachten inzwischen auch eine fundamentale Unterstützung für eine breitere Palette von Metallen. Silber, Uran, Kupfer und Platin haben in den letzten Monaten deutlich zugelegt.
Trotzdem sehen wir auch weiterhin attraktive Bewertungen bei bestimmten Rohstoffen. Kupfer ist ein gutes Beispiel: Der Preis ist dieses Jahr um rund 20 % gestiegen, doch das Angebot kann mit der Nachfrage kaum Schritt halten. Bestehende Minen sind ausgelastet, Genehmigungen dauern lange, neue Projekte verzögern sich. Es entsteht ein strukturelles Defizit. Silber und Platin haben Gold seit Jahresbeginn sogar übertroffen, obwohl ihr Angebot weitgehend unelastisch ist. Uran sticht ebenfalls hervor – die Atomenergie erlebt eine Renaissance und es wird erwartet, dass die Nachfrage das Angebot bis Ende des Jahrzehnts übersteigen wird.
Rohstoffrally basiert auf strukturellen Trends
Die aktuelle Rally bei Metallen ist nicht spekulativ, sondern durch langfristige strukturelle Entwicklungen getragen. Die Energiewende, der Ausbau von KI-Infrastruktur und die verstärkte Fokussierung auf Verteidigungsausgaben sind allesamt rohstoffintensive Trends. Sie dürften die Nachfrage nach Kupfer, Lithium, Aluminium und Seltenen Erden nachhaltig antreiben.
Silber, oft als volatilere „kleine Schwester“ von Gold bezeichnet, hat Gold seit Jahresbeginn leicht übertroffen. Während die Goldnachfrage vor allem von Zentralbanken und institutionellen Investoren getrieben wird, ist Silber stark industriell geprägt – über die Hälfte der jährlichen Nachfrage stammt aus industriellen Anwendungen, insbesondere aus der Solarindustrie. Dennoch bleibt das Angebot weitgehend fix, da Silber meist als Nebenprodukt anderer Metalle gefördert wird. Laut Metals Focus weist Silber seit sechs Jahren ein Angebotsdefizit auf.
Auch Platin erlebt ein Comeback. Lange vor allem in Schmuck und Katalysatoren für Verbrennungsmotoren verwendet, litt die Nachfrage unter der zunehmenden Verbreitung von Elektrofahrzeugen (EV). Doch neue Prognosen zeigen eine langsamere EV-Adoption außerhalb Chinas und eine stärkere Rolle für Hybridfahrzeuge, die weiterhin Metalle aus der Platingruppe benötigen. Ein weiterer Treiber könnte die Substitution in der Schmuckindustrie sein. Laut Valterra Platinum könnte bereits eine Verlagerung von 10 % der Weißgoldnachfrage zu Platin rund 1,5 Millionen Unzen zusätzliche Nachfrage generieren – etwa 75 % der aktuellen Schmucknachfrage nach Platin. Der Preis ist seit Jahresbeginn um 78 % gestiegen – von 900–1.000 $/Unze auf über 1.600 $/Unze (Stand: 10. Oktober 2025).
Kupfer als strategisches Fundament
Trotz der jüngsten Kursgewinne nähert sich Kupfer erst wieder seinem Hoch von Mai 2024 an. Die Angebotslage ist angespannt: Bestehende Minen kämpfen mit operativen Herausforderungen, neue Projekte verzögern sich durch Genehmigungsprozesse und Kostenüberschreitungen. Die Investitionsdisziplin der Bergbauunternehmen führt dazu, dass neues Angebot nicht schnell genug auf den Markt kommt, um die steigende Nachfrage zu bedienen. Wir sehen hier ein strukturelles Defizit entstehen, das die Preise über Jahre stützen könnte.
Auch Uran steht im Fokus. Der steigende Energiebedarf durch KI-Infrastruktur und das Streben nach stabilen, CO₂-armen Energiequellen bringen die Kernenergie zurück ins Rampenlicht. Laut World Nuclear Association soll sich die globale Atomkapazität bis 2050 verdreifachen, wobei die Nachfrage nach Uran bis 2035 um über 4 % jährlich steigen soll. Das Angebotswachstum hinkt jedoch mit etwa 2 % hinterher, und große Produzenten wie Cameco und Kazatomprom melden rückläufige Fördermengen aus bestehenden Anlagen. Wir gehen davon aus, dass der Markt früher als erwartet in ein Ungleichgewicht geraten könnte.
Seltene Erden (REEs) sind zwar ein Nischensegment, gewinnen aber zunehmend an Bedeutung. Ihre magnetischen Eigenschaften machen sie unverzichtbar für Elektrofahrzeuge, Windkraftanlagen, Smartphones und Verteidigungssysteme. China dominiert derzeit die globale Versorgung, was die USA zu massiven Investitionen in die heimische Produktion veranlasst. So erhalten Unternehmen wie MP Materials auch Unterstützung vom Verteidigungs- und Energieministerium.
Unser Ansatz konzentriert sich auf Aktien statt auf physische Rohstoffe – das bietet mehr Aufwärtspotenzial und profitiert von staatlichen Förderungen rund um Nearshoring und Versorgungssicherheit. Aktien ermöglichen es Investoren, gezielt in Unternehmen mit hochwertigen Ressourcen und operativer Disziplin zu investieren – entscheidende Faktoren in einem Sektor, in dem Angebotsengpässe zunehmend die Investmentstory prägen.
Gold hat seinen Platz, aber es ist nicht die ganze Geschichte. Die Megatrends, die heute Investments treiben sind rohstoffintensiv. Die Unternehmen, die diese Mineralien fördern, sind gut positioniert, um davon zu profitieren. Wir glauben, dass der Zyklus gerade erst beginnt.“
Aberdeen Investments/SJ