Europa: Flut an Insolvenzen
In Westeuropa wurden im Vorjahr 169.496 Unternehmensinsolvenzen registriert. Dieser Wert liegt um 20,9 Prozent über dem Vorjahresstand. Die Insolvenzzahlen übertrafen damit erstmals wieder das Vor-Corona-Niveau. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung der Creditreform.
„Das Insolvenzgeschehen im vergangenen Jahr stand im Zeichen der Rezession. Inflation, Zinsen, Energiekosten und auch die Nachwehen von Corona haben viele Unternehmen massiv belastet. Jetzt sehen wir die Auswirkungen auch deutlich in den Zahlen“, fasst Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Creditreform Wirtschaftsforschung in Neuss, die Entwicklung des Jahres 2023 zusammen.
Viele Pleiten
„2023 wurden in Westeuropa so viele Insolvenzen gezählt wie zuletzt 2016. Die verschärften Finanzierungsbedingungen strapazieren die Reserven der Unternehmen deutlich. Die Zentralbank (EZB) dämpfte mit Zinserhöhungen die Inflation, aber auch Konsum und Investitionen. So konnten die Unternehmen kaum Erträge erwirtschaften“, sagt Gerhard Weinhofer, Geschäftsführer von Creditreform Österreich.
In den meisten der untersuchten 17 Staaten Westeuropas stiegen die Insolvenzzahlen. Rückgänge gab es nur in Dänemark, Luxemburg, Spanien und Portugal. Besonders stark war der Anstieg in den Niederlanden (plus 54,9 Prozent) und in Frankreich (plus 35,6 Prozent). In Schweden, Irland, Finnland, Norwegen und Deutschland stiegen die Insolvenzfälle um mehr als 20 Prozent. Für 2024 wird mit einer weiteren Zunahme der Insolvenzen gerechnet.
Handel und Baugewerbe dominieren
In allen Hauptwirtschaftsbereichen stiegen die Insolvenzzahlen zweistellig. Besonders stark war der Anstieg im Handel (plus 24,8 Prozent) und im Bausektor (plus 21,7 Prozent), moderater war er im Dienstleistungsgewerbe (plus 16,2 Prozent). Im Verarbeitenden Gewerbe beschleunigte sich das Insolvenzgeschehen. Der Zuwachs (plus 19,8 Prozent) war höher als im Vorjahr. Gleichwohl liegen die Zahlen im Verarbeitenden Gewerbe noch knapp unter dem Wert des Jahres 2019.
„Mit mehr als 68.000 Insolvenzen allein im Dienstleistungsgewerbe und gut 52.000 Fällen im Handel wird das Insolvenzgeschehen in Europa vorrangig von diesen beiden Wirtschaftssektoren geprägt. Als Belastung für die Unternehmen erwiesen sich die Konsumzurückhaltung infolge der Inflation und das hohe Zinsniveau“, erklärt Weinhofer. Geopolitische Spannungen hätten zudem die Unsicherheit verstärkt und die Konjunktur gebremst.
Mehr Insolvenzen in Osteuropa
Auch in Osteuropa stiegen die Insolvenzzahlen, wobei weitgehend Ungarn für den Anstieg von rund 8 Prozent verantwortlich war. Insgesamt wurden 2023 in Osteuropa fast 65.000 Unternehmensinsolvenzen registriert – im Vorjahr waren es gut 60.000 Fälle. In sechs von zwölf untersuchten Ländern gingen die Fallzahlen zurück. Die größten Rückgänge gab es in Kroatien (minus 22,3 Prozent) und in Lettland (minus 21,2 Prozent). Einen Anstieg verzeichneten neben Ungarn auch Estland, die Slowakei, Serbien und Tschechien.
Creditreform/HK