Emerging Markets: Chance und Risiko
Emerging Markets eilt der Ruf voraus, besonders gute Rendite-Chancen zu bieten. Doch die jüngsten politischen Entwicklungen in Russland und China zeigen, dass Vorsicht geboten ist. Alexander Eberan und Karl Freidl, Experten des Steiermärkische Sparkasse Private Banking, kommentieren.
Als wichtiger Referenzwert für Schwellenländer wird am häufigsten der MSCI Emerging Markets Index genannt. Rund zwei Drittel entfallen hier auf Aktien aus Ostasien und China. Inklusive Indien macht der Südosten Asiens über 80 Prozent des Index-Gewichts aus. Osteuropa, Afrika, Nahost und Lateinamerika finden sich nur unter ferner liefen.
Blick auf Umfeld richten
Die Experten: „Insgesamt sind viele dieser Märkte durch hohe regulatorische und rechtliche Hürden oder Zugangsbeschränkungen für ausländisches Kapital gekennzeichnet. Etliche aufstrebende Märkte wie Kasachstan, Vietnam, Marokko oder Rumänien, die so genannten Frontier-Länder, fehlen im MSCI Emerging Markets Index gänzlich. Allerdings spielen all diese Länder auf der Weltbühne allein aufgrund ihrer Größe eine bedeutende Rolle. 52 Prozent der Weltbevölkerung leben in den genannten Schwellenländern. Zählt man die Frontier- und andere Märkte, die nicht im MSCI Emerging Markets Index enthalten sind, hinzu, dann sind es sogar 88 Prozent. Insgesamt bedecken die Schwellen- und Frontier-Märkte 77 Prozent der Landmasse der Welt und erwirtschaften 46 Prozent des globalen BIP.
Ein isolierter Blick auf die Kennzahlen wie Volatilität oder die Bewertung reicht bei der Auswahl solcher Investments nicht aus- wiewohl Aktien der Schwellenländer bei Kurs-Gewinn-Verhältnis, Dividendenrendite oder Buchwert derzeit wesentlich günstiger abschneiden als ihre Pendants in entwickelten Märkten. Das liegt unter anderem auch daran, dass günstig bewertete Aktien von Finanz- und Rohstoffunternehmen im EM-Index hoch gewichtet sind. Wichtiger als diese Kennzahlen sind aber das politische, regulatorische und rechtliche Umfeld in Schwellenländern.“
Risken beachten
„Beispiele für das hohe Risiko gab es in jüngster Zeit etliche: Die erratische Geldpolitik des türkischen Präsidenten hat Euro-Anlegern, die in Lira denominierte Aktien oder Anleihen gekauft hatten, in den vergangenen Jahren hohe Währungsverluste beschert. In China drohen mitunter ganze Wirtschaftszweige kaputt reguliert zu werden, und im Extremfall können Anleger:innen – siehe Russland Aktien – sogar einen Totalverlust erleiden. Die systematischen, geopolitischen Risiken sind bei Emerging Markets hoch zu bewerten und jedenfalls in den Auswahlprozess einzubeziehen.“
Wachstumschancen, aber …
„Verlockend scheint auch das vergleichsweise hohe Wirtschaftswachstum – bedingt durch Aufholprozesse – in den Schwellenländern. Die Realität zeigt aber, dass das BIP-Wachstum und die Aktien-Performance nicht zwangsläufig einen Zusammenhang ergeben. Zwei Faktoren machten Anleger:innen in Emerging Markets in den letzten Jahrzehnten einen dicken Strich durch die Rechnung: die globale Finanzkrise, die dem Rohstoffboom ein jähes Ende setzte, sowie der stetige Aufstieg des Investmentstandorts USA. Insbesondere die US-Zinspolitik hat die Kapitalströme in die Emerging Markets immer wieder durcheinandergebracht. Fazit: Aktien und Anleihen aus Emerging Markets können eine interessante Beimischung im Portfolio sein, sind aber an das jeweilige Risikoprofil der Investor:innen anzupassen.“
Steiermärkische Sparkasse/HK