13. Dezember 2022

ESG: Veränderte Finanzwelt

Am 28. November hat der Europäische Rat eine ESG-Richtlinie verabschiedet, die zwar keine Schlagzeilen machte, aber zu tiefgreifenden Veränderungen im europäischen, wenn nicht sogar weltweiten Finanzwesen führen wird.

Olivier de Berranger, CIO bei LFDE
Olivier de Berranger, CIO bei LFDE

Gemeint ist die Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen, die Firmen dazu verpflichtet, detaillierte Daten im ESG-Bereich zu veröffentlichen. Olivier de Berranger, CIO bei LFDE, analysiert: „Alle europäischen börsennotierten Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten werden diese Anforderungen erfüllen müssen. Noch ehrgeiziger ist, dass die Richtlinie unter bestimmten Bedingungen auch für nicht-europäische Unternehmen gelten soll, sofern diese Geschäftstätigkeit auf dem EU-Territorium ausüben.“

Ganzheitliches ESG-Bild

Die Herangehensweise der EU unter dem Gesichtspunkt der „doppelten Wesentlichkeit“ geht das Thema ganzheitlich an. Der Experte: „Der Ausdruck bezieht sich nicht nur auf die Auswirkungen von Umwelt und Gesellschaft auf die Tätigkeit von Unternehmen. Dies würde als „finanzielle Wesentlichkeit“ bezeichnet und ist mit einer auf die Risiken für Unternehmen fokussierten Betrachtung verbunden. Der Ausdruck der „doppelten Wesentlichkeit“ deckt darüber hinaus auch die Auswirkungen von Unternehmen auf die Umwelt und die Gesellschaft ab, also ihre Verantwortung in Bezug auf Aspekte, die nicht rein wirtschaftlicher Natur sind.“

Biodiversität noch ausstehend

„Bei der Klimafrage ist man mit Blick auf die Umweltrisiken, die von Unternehmen ausgehen, bereits gut vorangekommen, aber auch in einem anderen Problemfeld müssten demnächst noch bedeutende Fortschritte erzielt werden: der Biodiversität.

Eines der aussagkräftigsten Beispiele sind die geschätzten Kosten von über 200 Milliarden pro Jahr aufgrund der Verringerung der Anzahl von Bestäuberinsekten, bedingt durch die Belastung der Umwelt durch den Menschen. Insgesamt könnte die derzeitige Geschwindigkeit des Rückgangs der Biodiversität laut dem WWF die Volkswirtschaften jährlich fast 500 Milliarden Dollar kosten. Umgekehrt betrachtet entspricht der Beitrag der Ökosysteme nach ersten wissenschaftlichen Schätzungen jedes Jahr dem Doppelten des weltweiten BIP! Das ist eine immense Quelle von Mehrwert und zugleich von Risiken, wenn sich die Lage verschlechtern sollte.“

Besser spät als nie

„Es hat mehrere Jahrzehnte gedauert, um ESG im europäischen Finanzwesen einen rechtlichen Status zu verleihen. Man kann natürlich die Verspätung bedauern, sich aber auch darüber freuen, dass es nun so weit ist. Eine neue Zeit bricht an, die sicherlich von höherer Komplexität geprägt ist, aber auch größere Chancen mit sich bringt. Denn das Finanzwesen ist nun zunehmend in alle Lebensbereiche integriert. Davon könnten finanzielle Renditen betroffen sein – möglicherweise zunächst negativ, aber längerfristig positiv, vielleicht in geringerem Maße, dafür aber nachhaltiger.“

LFDE/HK

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