Italien: Keine Revolution
Giorgia Meloni ist wie erwartet an die Spitze Italiens gewählt worden. Das Liebäugeln mit dem Faschismus der neuen Ministerpräsidentin beunruhigt, völlig umkrempeln wird sie das Land aber nicht. Angesagte Revolutionen finden zumeist nicht statt.
Es sind Zitate wie dieses, die einen aufschrecken lassen, zu Mussolini meinte Giorgia Meloni: „Er hat Fehler gemacht, die Rassengesetze, den Kriegseintritt, und außerdem war sein System autoritär. Historisch gesehen hat er auch eine Menge vollbracht, aber das rettet ihn nicht.“ Auch Breitseiten gegen die EU, die Eheschließung von Homosexuellen usw. beunruhigen. Meloni ist eine begabte Populistin, die nach allen Regeln der Kunst „austeilt“, in der Realpolitik wird sie Italien aber keiner „Rivoluzione“, also einer Revolution unterziehen können.
Wenig Gegenwehr
Tatsächlich ruderte sie verbal bereits im Wahlkampf zurück und zeigte sich gemäßigter. Ein „Italexit“, also ein Austritt Italiens aus der EU, kommt schon aufgrund der desaströsen Erfahrungen des Brexits nicht in Frage. Auch scheint die Lust der Italiener auf ein EU-Aus beschränkt zu sein: Die Partei „Italexit“ verpasste mit unter zwei Prozent glasklar den Einzug ins Parlament. Harmlos wird der „Italy First-Kurs“ Melonis dadurch allerdings nicht, denn ihrer strammen Rechts-Koalition steht eine zersplitterte und in Auflösung befindliche „Linke“ gegenüber. Die Zweitplatzierten Sozialdemokraten der Partito Democratico erhielten nur rund 19 Prozent der Stimmen. Effiziente Oppositionspolitik scheint da kaum möglich zu sein.
Kann die EU Melloni auf die Finger schauen? Die Möglichkeiten sind begrenzt und nur der „erhobene Zeigefinger“ könnte das Zusammenrücken rechts-motivierter Bürger in einer Wagenburgmentalität sogar noch verstärken.
Selbstzerstörung?
Natürlich bleibt noch die Möglichkeit, dass sich die Allianz aus Mellonis „Fratelli d‘Italia“, „Lega“ unter Matteo Salvini und Silvio Berlusconis „Forza Italia“ bald selbst beschädigen könnte. Vor allem dem Egomanen und Machismo Berlusconi sagen politische Beobachter nach, dass er es gar nicht gerne sieht auf die hinteren Ränge verbannt zu sein – und noch dazu eine Frau an der Spitze steht. Auch Salvini wird nicht gerade als eine einfache Persönlichkeit beschrieben, das könnte koalitionären Sprengstoff bergen. Wobei die „Halbwertszeit“ italienischer Regierungen historisch betrachtet ohnedies nicht gerade berauschend ausfällt: Seit ihrer Gründung 1946 sah die Republik vor dem Meloni-Sieg 67 Regierungen und 30 Ministerpräsidenten …
Italien im Praxistest
Aber ein rasches Scheitern bleibt natürlich Spekulation. Für die nahe Zukunft wird entscheidend sein, wie Meloni, Berlusconi und Salvini mit den aktuellen Herausforderungen umgehen werden – und die sind gewaltig. Medienberichten zufolge wird es jeder dritten italienische Familie aufgrund der extremen Energiepreise bis Ende des Jahres nicht mehr möglich sein, ihre Strom- und Gasrechnung zu bezahlen. Zur notwendigen Unterstützung könnte schlecht gegen-finanziertes Deficit-Spending im Köcher der Populisten stecken.
Ein gefährliches Spiel: Die ohnedies horrende Verschuldung Italiens von rund 150 Prozent des BIP droht dann in neue Dimension vorzustoßen, eine neue Eurokrise nach dem Vorbild Griechenlands nicht ausgeschlossen. Mit dem erheblichen Unterschied, dass Italien die drittgrößte Volkswirtschaft der EU darstellt, was das Gefahrenpotenzial erhöht.