Dauerbrenner: Kalte Progression
Die massive Inflation wächst Herrn und Frau Österreicher über die Köpfe. Zumindest will die heimische Regierung die Kalte Progression eindämmen. Am eingeschlagenen Weg gibt es aber auch Kritik, so von Dénes Kucsera, Ökonom bei Agenda Austria.
Gefordert wir schon lange eine automatische Tarifanpassung an die Inflation. Aber würde das nicht auch Nachteile bringen, etwa geringe Flexibilität der Steuerpolitik? Und ist es nicht von Vorteil, wenn der Staat in Krisenzeiten (wie jetzt) durch die Kalte Progression hohe Steuereinnahmen lukriert?
„Geheime Steuererhöhung“
Zum GELD-Magazin meint Kucsera: „Klar, wenn der Staat mehr wegnimmt, kann man auch mehr verteilen. Man muss aber schauen, woher das Geld kommt. Die Abschaffung der Kalten Progression ist keine Entlastung, sondern das Abstellen einer geheimen Steuererhöhung. Auch wenn die Bruttolöhne jährlich an die Inflation angepasst werden, steigen die Nettolöhne aufgrund der Kalten Progression weniger als die Inflation. Die Arbeitnehmer erleiden also einen Kaufkraftverlust. Nach der Abschaffung der Kalten Progression werden die Nettolöhne auch mit der Inflation steigen, die Lohnsteuerzahler haben dann also keinen Kaufkraftverlust mehr.“
Kalte Progression eliminieren
Der Ökonom weiter: „Würde man in Österreich die Tarifstufen und alle Absetz- und Freibeträge an die Inflation anpassen, wäre die Kalte Progression gänzlich ausgemerzt. Schweden geht noch einen Schritt weiter: Dort ändert sich das Steuersystem nicht nur gemäß der Inflation, auch die Reallohnentwicklung wird berücksichtigt. So wird nicht nur die Kalte Progression eliminiert, sondern auch die Steuerbelastung gemessen am Einkommen konstant gehalten.“
Aber kehren wir zurück nach Österreich, die Regierung hat sich jetzt endlich in Bewegung gesetzt: Sie kündigte die Installierung eines Inflationsberichts an. Nach diesem sollen Mehreinnahmen des Staates zu zwei Dritteln automatisch, zu einem Drittel „manuell“ (also in einem politischen Entscheidungsprozess) verteilt werden.
Keine ideale Lösung
Dazu Kucsera kritisch: „Die Bundesregierung hätte die Kalte Progression komplett und automatisiert abschaffen sollen. Dazu müssten nur die Steuertarifstufen mit der Inflation mitwachsen. In der angekündigten Form handelt es sich dabei allerdings um eine typisch österreichische Lösung mit intransparenter und komplizierter Durchführung. WIFO und IHS errechnen jährlich das Volumen der Kalten Progression. Zwei Drittel davon sollen automatisch nach Schweizer Vorbild zurückgegeben werden. Das letzte Drittel muss zwar auch an die Steuerzahler zurückfließen. Es obliegt aber dem Parlament, wie dies ausgestaltet wird. So besteht weiterhin die Gefahr, dass nicht alle Steuerzahler die Kalte Progression zur Gänze kompensiert bekommen.“
Hohe Lohnkosten
Neben der Kalten Progression sieht sich Österreich nicht zuletzt mit der Problematik hoher Lohnkosten konfrontiert. Der Experte: „In der EU wird Arbeit nur in Belgien und Deutschland stärker belastet als in Österreich. Gemessen an den Arbeitskosten haben Österreicher die drittniedrigsten Nettolöhne in der industrialisierten Welt. Würden die heimischen Arbeitnehmer so belastet werden wie ihre niederländischen Kollegen, blieben ihnen 673 Euro netto mehr im Monat.“
Einen ausführlichen Bericht zum Thema finden Sie auch im aktuellen GELD-Magazin der Juli Ausgabe unter folgendem Link: https://www.geld-magazin.at/flipBooks/gm2207/16/index.html