24. Jänner 2022

Atom und Gas: Wirklich grün?

Die Europäische Kommission könnte Investitionen in Atom- und Gasenergie unter Auflagen künftig als grün klassifizieren: Alix Chosson, Lead ESG-Analyst bei Candriam, betrachtet diesen Vorschlag durchaus kritisch.

Alix Chosson, Lead ESG-Analyst bei Candriam
Alix Chosson, Lead ESG-Analyst bei Candriam

Die Atomkraft gehört mit einem CO2-Ausstoß von etwa 20-40 g/kWh zu den kohlenstoffärmsten Energiequellen der in einigen Fällen sogar niedriger ist als der von erneuerbaren Energien auf Lebenszyklusbasis. Die Klimavorteile der Atomkraft seien also unbestreitbar, so die Expertin. 

Atomenergie: Ungelöste Fragen

Chosson: „Die Kernenergie ist jedoch mit anderen Herausforderungen konfrontiert, die zu Umweltproblemen führen können: Sicherheitsprobleme, Wasserverbrauch und die noch ungelöste Frage der Lagerung radioaktiver Abfälle. All diese Herausforderungen könnten im Rahmen des Kriteriums „keine nennenswerten Schäden“ von Bedeutung sein, das besagt, dass der Nutzen für das Klima nicht andere negative Umweltauswirkungen mit sich bringen darf.“

Die Kommission kam jedoch in einer umfassenden Studie zu dem Schluss, dass die Atomkraft unter strengen technologischen, betrieblichen und ökologischen Bedingungen als grüne Energiequelle im Sinne der Taxonomie angesehen werden kann.

Gas bremst Fortschritt

„Die Aufnahme von Erdgas in die Taxonomie beruht auf einem sehr pragmatischen – Kritiker könnten auch sagen: kurzsichtigen – Ansatz zur Dekarbonisierung: Die Ersetzung von Kohlekapazitäten durch Gaskraftwerke wird sich positiv auf das Klima auswirken, da der Kohlenstoff-Fußabdruck von Erdgas über den gesamten Lebenszyklus hinweg nur etwa halb so groß ist wie der von Kohle, wenn man von begrenzten Methanleckagen ausgeht. 

Längerfristig stellt sich jedoch die Frage, ob Europa in der Lage sein wird, sein Netto-Null-Ziel bis 2050 zu erreichen. Im Rahmen dieses Ziels hat die Dekarbonisierung der Stromerzeugung oberste Priorität und sollte in Europa bis spätestens 2035 erreicht werden. Das bedeutet, dass jedes neue Gaskraftwerk, das bis 2035 in Betrieb genommen wird, das Erreichen des Netto-Null-Stroms bis 2035 erschweren wird, da die Treibhausgasemissionen für Jahrzehnte festgeschrieben sind.“

Grüne Agenda

Chosson abschließend: „Der aktuelle energiepolitische Kontext hat bei diesem Kompromiss eine große Rolle gespielt. Dieser Wandel findet zu einem Zeitpunkt statt, an dem Europa mit rekordverdächtig hohen Energiepreisen zu kämpfen hat, die die Regierungen und EU-Institutionen unter Druck setzen, die Erschwinglichkeit und Versorgungssicherheit zu schützen, während sie gleichzeitig ihre grüne Agenda umsetzen.“

Candriam/HK

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