GELD-Magazin, September 2019

Helmut Brandstätter: „Der Druck ist brutaler geworden. Unter Österreichs Journalisten herrscht heute ein Klima der Angst.“ FPÖ vor meinem Haus gefilmt haben. Seit­ her herrscht Ruhe. Wie sehen Sie prinzipiell die Zukunft der Medien im Zeitalter von Internet und Social Media? Es gibt eine interessante Website namens Newspaper Extinction Map, die den Rück­ gang von klassischen Printmedien misst, demnach soll es bereits im Jahr 2040 kei­ ne Zeitungen mehr geben. Allerdings gibt es gerade heute wieder mehr Zeitungen, auch weil in China und Indien mehr gelesen wird. Ich selbst bin jedenfalls der Meinung, dass es nicht so sehr um die Frage geht, wie man Journalismus im Internet macht. Sondern darum, wer für Medien zahlt? Es ist eine eindeutige Tendenz, dass die Werbung in klassischen Medien abnimmt, und viele Ver­ lage stehen vor der Herausforderung, dass sie sich nicht mit Abos finanzieren werden können. Weshalb ich mich auch deutlich für eine Förderung von Qualitätsmedien ausspreche. Es ist doch ein Missverhält­ niss, dass für den ORF rund 600 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden, für die Presseförderung allerdings nur zehn Millio­ nen. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich bin durchaus für einen unabhängigen Rund­ funk, nicht aber für einen, der nach der Pfeife der Regierung tanzt. Aber ist es nicht schwierig, eindeutige Kriterien für förderungswerten Qualitäts- journalismus zu finden? Es ist möglich, das festzulegen, ich denke da auch an die Arbeitsbedingungen von Journalisten: Sie sollten fest angestellt sein und zumindest nach dem Kollektivvertrag entlohnt werden. Weiters könnte ein ge­ wisser Anteil an Auslandskorrespondenten und umfassende Berichterstattung in Fel­ dern wie Kultur, Wirtschaft usw. als Kriterien herangezogen werden. Kehren wir zurück zu Ihrer Einschätzung von Kurz und Kickl: Wie weit sind wir von einem autoritären Staat entfent? Ich möchte noch einmal festhalten: Die Transformation in ein autoritäres System wurde nicht umgesetzt, aber vorbereitet. Wäre die vergangene Regierung an die zehn Jahre an der Macht geblieben, hätten wir Österreich nicht mehr wiedererkannt. Um sich gegen den Weg in die Unfreiheit zu wehren, benötigt es eine Sensibilisierung der Bevölkerung. Ich spreche hier von for­ cierter Bildung und Aufklärungsarbeit innerhalb und außerhalb des klassischen Schulsystems. Menschen müssen dabei auch verstehen lernen, sich in den Wei­ ten des Internets bewegen zu können und nicht auf Fake News hereinzufallen. Ein anschauliches Beispiel bieten hier Ver­ schwörungstheorien, zum Beispiel, dass in Wirklichkeit der Milliardär George Soros die Flüchtlingsströme lenken würde. Das ist na­ türlich Unsinn, dennoch glauben das viele Menschen. Ich plädiere gleichzeitig für den Schutz freier Medien und die Stärkung de­ mokratischer Institutionen. Ein weiterer wichtiger Schritt ist es, gegenüber Facebook etc. kritischer zu werden und außerdem für entsprechende Regulierungen zu sorgen. Das kann allerdings nicht Österreich alleine in die Hand nehmen und müsste auf euro­ päischer Ebene umgesetzt werden. Helmut Brandstätter | INTERVIEW SEPTEMBER 2019 – GELD-MAGAZIN | 19 ZUR PERSON: Helmut Brandstätter wurde 1955 in Wien geboren und ist studierter Jurist. Er schlug die Laufbahn des Journalismus ein und arbeitete 1982–1997 für den ORF in Wien, Bonn und Brüssel. Einem breiten Publikum wurde er vor allem mit der Gründung und Moderation des ORF-Reports be- kannt. 1997–2003 war Brandstätter als Geschäftsführer des Nachrichtensenders n-tv in Berlin tätig, später wur- de er Geschäftsführer von PulsTV und Moderator der Pro- SiebenAustria-Top. 2005–2010 erfolgte die Gründung und Leitung einer Beratungs- und Kommunikationsagentur; im Jahr 2010 wurde er Chefredakteur und 2013 auch Heraus­ geber der Tageszeitung Kurier, die er Juli 2019 verließ, um sich politisch bei den Neos zu engagieren.

RkJQdWJsaXNoZXIy MzgxOTU=