GELD-Magazin, Nr. 5/2023

Kurze Geschichte der Steuer Es ist noch gar nicht so lange her, dass praktisch die gesamte Steuerlast von Reichen und Superreichen getragen wurde. Die Durchschnittsbevölkerung unterlag Zöllen und „zahlte“ durch Arbeitskraft sowie Naturalien (so wurden etwa in Kriegszeiten einfach Lebensmittel der Landbevölkerung brutal beschlagnahmt). Aber sozusagen „klassische“ Steuern trafen die Vermögenden. IHS-Ökonomin Katharina Gangl: „Zum Beispiel um 1900 in Spanien, als rund 1.500 Personen für das gesamte Steuereinkommen sorgten. In Europa wurde vor 1945 Einkommenssteuer nur für Reiche erhoben, da es kaum möglich war, die Lohnzettel der Masse von Menschen mit geringerem Einkommen zu erheben. Das wurde erst mit zunehmender Industrialisierung vereinfacht.“ Erben erleichtert Für die Erfassung von Vermögen eignet sich wiederum die Erbschafts- steuer gut, eine solche wurde allerdings mit 1. August 2008 in Österreich aufgrund einer Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs abgeschafft. Gleichzeitig ist mit ihr auch die Schenkungssteuer gefallen. Personen, die ein Grundstück von ihren Angehörigen etc. vererbt oder geschenkt bekommen, werden jedoch mit der Grunderwerbssteuer belastet. Leistungen in Österreich gebühren- und nicht steuerfinanziert sind.“ Weiters meint man, es würden negative wirtschaftliche Effekte entstehen: „Bei Einführung einer Vermögenssteuer in Österreich mit einem Aufkommen von einer Milliarde Euro ist mit einem langfristigen Rückgang des BIP um 0,65 Prozent und mit einem Beschäftigungsrückgang um 0,24 Prozent zu rechnen.“ Unterschiedliche Meinungen Und was sagt die Wissenschaft? Hier gibt es durchaus differierende Meinungen. Während etwa das gewerkschaftsnahe Momentum Institut für Formen der Vermögensbesteuerung eintritt, ist die wirtschaftsliberale Agenda Austria dagegen. Katharina Gangl, Expertin für Behavioral Economics und Steuersysteme am IHS, sieht im Gespräch mit dem GELD-Magazin heute vor allem zwei Problemfelder: „Erstens muss die Möglichkeit gefunden werden, Vermögen zu identifizieren, auf das der Staat zugreifen könnte. Was sehr schwierig ist, auch weil sich Vermögenswerte verändern. Der einfachere Weg wäre das Ansetzen bei Erbschaften, wo genaue Daten vorhanden sind.“ Zweiter Knackpunkt sei die Motivation dafür, Steuern auch zu bezahlen, denn viele Vermögende haben die legale Möglichkeit, ihren Wohnsitz zu ändern, wenn sie sich steuerlich ungerecht behandelt fühlen. Gangl: „Es muss unbedingt vermittelt werden, wofür die Steuereinnahmen verwendet werden. Zum Beispiel für die Bekämpfung des Klimawandels, oder um den Faktor Arbeit zu entlasten. Ohne entsprechende Motivation droht Steuerflucht.“ Deutlich positioniert sich Margit Schratzenstaller, bekannte Ökonomin am Wifo: „Grundsätzlich sollten vermögensbezogene Steuern in Österreich stärker genutzt werden: Sie können die Chancengleichheit erhöhen, sie verursachen weniger Ausweichreaktionen als andere Steuern, und aufgrund der steigenden Bestände und Konzentration von Vermögen haben sie ein beträchtliches und langfristig steigendes Aufkommenspotenzial.“ Vor allem die Wiedereinführung einer Steuer auf hohe Erbschaften sowie die Stärkung der Grundsteuer seien gute Optionen, um im Rahmen einer aufkommensneutralen Abgabenstrukturreform vor allem die hohen Abgaben auf die Arbeit zu senken.“ Doppelt gemoppelt? Gegner der Vermögensbesteuerung meinen allerdings, dass die Abgabenlast in unserem Land schon heute sehr hoch sei (siehe Grafik unten), und das Einkommen ohneÖsterreicherinnen und Österreicher müssen im internationalen Vergleich eine relativ hohe Abgabenlast stemmen. Zu vergessen ist allerdings nicht, dass auch die sozialen Standards, Ausbildung, Gesundheitssystem etc. hierzulande stark ausgebaut sind. Hohe Abgabenlast: No more taxes? Quellen: Agenda Austria, Eurostat CC BY 4.0 DEED im Jahr 2021, in Relation zum BIP 40% 30% Dänemark Frankreich Belgien Österreich Schweden Italien Finnland Deutschland Eurozone EU Griechenland Luxemburg Niederlande Spanien Slowenien Polen Portugal Slowakei Tschechien Zypern Kroatien Ungarn Estland Litauen Malta Lettland Bulgarien Rumänien Irland 20% 10% Sozialversicherung direkte Steuern indirekte Steuern 50% 43,6% Ausgabe Nr. 5/2023 – GELD-MAGAZIN . 11 „Grundsätzlich sollten vermögensbezogene Steuern in Österreich stärker genutzt werden.“ Margit Schratzenstaller, Ökonomin, Wifo

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