GELD-Magazin, Nr. 2/2023

ZUR PERSON Dr. Harald Preißler ist Kapitalmarktstratege sowie Präsident des Verwaltungsrats der Bantleon AG, Zürich, und Aufsichtsratsmitglied der Bantleon Invest GmbH. Seit Oktober 2020 ist er zudem Aufsichtsratsmitglied der Bantleon AG. Nach dem Studium der Volkswirtschaftslehre an der Universität Würzburg mit den Schwerpunkten Geldpolitik, Konjunktur- und Wachstumstheorie, mathematische Wirtschaftstheorie sowie empirische Wirtschaftsforschung arbeitete er zunächst als wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Universitäten Würzburg und Ulm. Noch während seiner Promotion begann er 1999 als Senior Analyst bei Bantleon in der Schweiz. Harald Preißler verfügt über insgesamt 23 Jahre Erfahrung in der Finanzbranche. Prozent verdoppeln wird; ein langfristiger Leitzinssatz von ebenfalls circa drei Prozent erscheint realistisch. Für Anleihen bedeutet das: Sie werden wieder attraktiver, die Kupons steigen und es kann wieder eine gewisse Rendite erwirtschaftet werden. Auf der anderen Seite verlieren Aktien an Attraktivität: Das Akronym TINA (there is no alternative) gilt für Aktien nicht mehr. Warum ist das so? Für diese Einschätzungen gibt es mehrere Begründungen. So sind die Aktienbewertungen noch immer sehr hoch, das gilt vor allem für die USA. Weiters werden wir die unglaublich hohe Menge an Geldliquidität nicht mehr sehen, die in den vergangenen Jahren für viel Rückenwind an den Börsen gesorgt hatte. Außerdem steigen die Kosten für die Unternehmen überproportional, wobei ich meine, dass sich die Hoffnung auf höhere Produktivität und den Ausbau bzw. das Halten der Gewinnmargen nicht erfüllen wird. Wie kommen Sie zu dieser Einschätzung? Produktivität ist das Resultat von Investitionen in Sachkapital, und diese wurden in den letzten Jahren klar vernachlässigt. Denn den Firmenlenkern ging es bei ihren Entscheidungen offensichtlich um das Einfahren von schnellen Gewinnen - und da erschienen Re-Investments ins Unternehmen als zu langsam. Stattdessen wurden massiv Aktienrückkäufe getätigt. Ich rechne damit, dass sich dieser Trend fortsetzen und nicht mehr, sondern weniger investiert werden wird. Wir stehen somit vor einer Phase unterdurchschnittlichen Gewinnwachstums. Waren es in den letzten 30 bis 40 Jahren über vier Prozent, werden wir uns jetzt bei vier Prozent einpendeln. Wie sollen sich Investoren in dieser Situation verhalten? Aktien und Anleihen werden auf ungefähr gleicher Augenhöhe performen. Für das Asset Management bedeutet das: Ganzheitliches Denken und aktive Allokation sind gefragt. Es gilt, die richtigen Regionen und Themen zu finden, einige werden outperformen, andere schwächer abschneiden. Aktives Selektieren von Einzeltiteln, genaue Unternehmensanalyse, Laufzeitmanagement etc. galten mancherorts ja bereits als ausgestorbenes Handwerk. Jetzt wird diese Kunst ein Comeback feiern, davon bin ich felsenfest überzeugt. Im Gegenzug wird es für passive Investmentformen immer schwieriger. In der Vergangenheit waren die meisten ETFs eine gute Entscheidung, sie sind kostengünstiger und die Aktienbörsen strebten nach oben. Die Flut hob alle Boote, wie man so schön sagt. Das ist aber jetzt nicht mehr der Fall. Welche Anlageideen gefallen Ihnen auf absehbare Zeit gut? Ein wichtiger Bereich ist zweifellos die digitale Disruption, sprich einige Unternehmen drängen andere aus dem Markt. Hier erachten wir zum Beispiel Titel wie Visa, Nivida oder VMware als interessant. Ein Zukunftsthema ist auch nachhaltige Infrastruktur mit Unternehmen wie Befesa, Iberdrola oder Greenvolt. Der erwähnte demografische Wandel wird wiederum so unterschiedliche Aktiengesellschaften wie Humana, Novo Nordisk oder Hermes unterstützen. Ein spannendes Gebiet eröffnen nicht zuletzt „Intelligente Städte“: Denn in Sachen Recycling, Mobilität und Konnektivität muss noch sehr viel getan werden. In unserem Multi-Asset-Fonds „Bantleon Changing World“ finden sich etwa zu diesem Thema Vilinx, Veolia oder Umicore. www.bantleon.com Die Flut hebt nicht mehr alle Boote. Aktives Management ist gefragt. Ausgabe Nr. 2/2023 – GELD-MAGAZIN . 29

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