GELD-Magazin, Nr. 1/2023

Viele Großinvestoren starteten mit zu geringen Long- oder gar ShortPositionen (um von fallenden Kursen zu profitieren) ins neue Finanzjahr. Doch die pessimistischen Prognosen zu Jahresbeginn sind bislang nicht eingetroffen, weil es einige überraschend positive Faktoren wie die rasche Öffnung in China, die Dollar-Schwäche oder die sinkenden Inflationsaussichten gab. Der alte Börsenfuchs Jens Ehrhardt warnt: „Meiner Meinung nach kaschiert das alles nur kurzfristig das Faktum, dass die Notenbanken deutlich stärker bremsen werden, als die Märkte denken. Und das dürfte dann zu sinkenden Kursen führen.“ Die Anleihezinsen sind überraschend gefallen und der stärkere Euro hat diese positive Entwicklung noch begünstigt. „Der Aufschwung, der seit Oktober an den Börsen anhielt, dürfte jetzt vorbei sein. In den USA sind vor allem geshortete Aktien und qualitativ schlechte Titel am stärksten gestiegen“, erläutert Ehrhardt. Seiner Ansicht nach ist märkte & fonds . Experten-Umfrage 2023 Anleger, seid wachsam! Der überraschend starke Jahresstart birgt Risiken für die Investoren. Denn die Hoffnungen vieler Anleger auf bereits wieder sinkende Zinsen im weiteren Jahresverlauf könnten sich als zu optimistisch herausstellen. Wolfgang Regner Credits: Fear & Greed-Index: CNN Business; beigestellt/Archiv; GulyaevStudio/stock.adobe.com besonders der wichtige monetäre Faktor als negativ einzustufen. Denn nicht nur die Zinsen steigen, das „Quantitative Tightening“ (Verkauf von Anleihen) der Notenbanken entzieht den Märkten zusätzlich Kapital, die inverse Zinskurve (mit 0,8 Prozent Unterschied zwischen kurz- und langfristigen Zinsen recht deutlich) deutet auf Rezession und Börsenbaisse hin. Auch der fundamentale Faktor ist negativ – die Unternehmensgewinne dürften unter Druck kommen. Geldmenge schwach wie 1933 Besonders bedenklich ist die Entwicklung der US-Geldmenge, die sogar absolut gesehen deutlich fällt (bei M1 um über drei Prozent), was eher selten auftritt. Normalerweise sinkt nur die Zuwachsrate des Geldvolumens. Das letzte Mal in diesem Ausmaß war dies in der Weltwirtschaftskrise 1929 bis 1933 der Fall. Dazu kommt der stark gewachsene Optimismus der Anleger. Der „Fear & Greed-Index“ in den USA ist von vorsichtigen 30 auf fast schon überschäumende 80 Punkte gestiegen, ein weiteres Warnsignal, diesmal vonseiten der Markttechnik. „Am US-Optionsmarkt werden derzeit gut 50 Prozent der Umsätze in Optionen gemacht, die innerhalb eines Tages (!) verfallen“, weiß Ehrhardt. „Dieses Mal bremst die US-Notenbank in einen Abschwung hinein und ist im Zyklus ziemlich spät dran, was die absehbare Rezession verstärkt. Der Frühindikator sind die (steigenden) Zinsen, später fallen dann auch die Unternehmensgewinne“, so Ehrhardt. Zudem muss man bedenken, dass die negativen Folgen steigender Zinsen mit erheblicher Zeitverzögerung eintreten, oft erst dann, wenn die Zinsen schon wieder sinken. Davon kann bis Jahresende aber keine Rede sein. Der in den USA veröffentlichte Fear & GreedIndex leitet sich vom Aktienkurs-Momentum ab und steht aktuell relativ hoch, was ein negativer Kontraindikator ist. Fear & Greed-Index 2022 2023 0 100 75 50 25 24 . GELD-MAGAZIN – Ausgabe Nr. 1/2023

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