GELD-Magazin, Oktober 2022

tungsangeboten gespart wird. Vielleicht schreckt man auch vor dem Kauf eines neuen Autos zurück und fährt sein altes einfach ein bisschen länger. Sie haben Putin einmal als möglichen „Klimaretter“ bezeichnet. Wie ist das zu interpretieren? Sie dürfen mich nicht falsch verstehen, aber Tatsache ist, dass Putin den Westen, und vor allem Europa, auf dem Klimapfad vorangebracht hat. Allen ist klargeworden, dass die Abhängigkeit von russischem Gas ein Ende haben muss und alternative Quellen erschlossen werden müssen. Die Explosion der Energiepreise wirkt wie ein starker Anstieg der CO2-Besteuerung. Der Energieverbrauch wird als Folge natürlich stark zurückgehen, was letztlich gut für das Klima ist. Wobei Sie einmal meinten: „Die Welt steuert immer noch auf die Klimakatastrophe zu.“ Wie schlimm ist die Lage? Die OECD-Staaten bewegen sich in die richtige Richtung, wenn auch zu langsam, wie viele sagen. Jedenfalls sinkt der CO2-Ausstoß in der OECD jedes Jahr um circa zwei Prozent. Global gesehen steigt der CO2-Ausstoß aber jährlich immer noch um 0,8 bis 1,0 Prozent, die Klimasituation verschlechtert sich also weiter. Das ist mit der Entwicklung in Schwellenländern zu erklären, vor allem in China, Indien und Afrika. Mit zunehmendem Wohlstand streben die Menschen dort einen Lebensstandard an, wie wir ihn haben, was ja verständlich ist. Sie kaufen immer mehr energieintensive Produkte, vor allem Autos und Klimaanlagen. Das erhöht die Emissionen von CO2. In den Schwellenländern gehen wir fürs Erste von jährlichen Steigerungsraten von 2,5 bis 3,0 Prozent aus. Die reicheren Länder müssen den eingeschlagenen Weg weitergehen. Da es sich nicht vermeiden lässt, dass es erst einmal schlimmer wird, müssen sie sich zunächst vor den verschiedenen absehbaren Klimakatastrophen schützen – vor Hitzewellen, Dürren und Überschwemmungen. Zweitens sollten die wohlhabenden Staaten finanzielle Anreize für die Regierungen in ärmeren Ländern schaffen, damit diese weniger CO2 freisetzen. Das kostet zwar viel Geld, wäre aber eine sehr gute Investition – nicht zuletzt für den Westen. Dieser Prozess ist bereits im Gange, kommt aber nur langsam voran. Was könnte in armen Ländern zum Beispiel passieren? Der Ausbau Erneuerbarer Energie ist flächenintensiv und stößt bei uns daher bald an Grenzen. Die größten Reserven gibt es in den Wüstenländern und anderen dünn besiedelten Ländern des globalen Südens. Die OECD täte also gut daran, ärmere aber sonnenreiche Länder beim Aufbau von Solarparks und Windkraftanlagen zu unterstützen. Das ist finanziell machbar: Mit für uns relativ kleinen Summen wäre ein sehr positiver Klimaeffekt zu erzielen. Abschließend: Wie sollen sich Investoren jetzt am besten positionieren? Mein Vorschlag lautet: Gleichbleibende Beträge regelmäßig und emotionslos investieren, zum Beispiel monatlich. Somit kauft man auch ein, wenn sich die Märkte in einem Tief befinden. Dafür eignen sich durchaus Aktienindizes. Aktien-Stockpicking ist natürlich auch immer eine Möglichkeit, denn es gibt ja Profiteure der aktuellen Lage, aber das erfordert gute Informationsquellen und eine nüchterne Analyse der Gewinnaussichten. Für breite Anleiheinvestments sehe ich die Zeit hingegen noch nicht gekommen: Steigende Zinsen bedeuten nämlich fallende Bondkurse. https://wermutham.com ZUR PERSON Dieter Wermuth ist Co-Founder, Ökonom und Partner bei Wermuth Asset Management (WAM). Zuvor war er unter anderem Mitglied des Portfolioallokation-Ausschusses der Citibank, Chief Fixed Income Strategist der West LB und Chief European Economist der Tokai Bank in Frankfurt und London. Außerdem war Wermuth als wissenschaftlicher Mitarbeiter des Sachverständigenrats der deutschen Wirtschaft tätig. Bei WAM handelt sich um ein Family Office, das sich auf klimawirksame Investitionen über alle Anlageklassen hinweg spezialisiert hat. Wobei der Schwerpunkt auf Unternehmen liegt, die „ein großes Problem der Menschheit profitabel lösen und exponentiell wachsen können“. Sie dürfen mich nicht falsch verstehen, aber Tatsache ist dennoch, dass Putin den Westen, und vor allem Europa, auf dem Klimapfad vorangebracht hat. Oktober 2022 – GELD-MAGAZIN . 27

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