GELD-Magazin, Oktober 2022

Oktober 2022 – GELD-MAGAZIN . 21 einer gewissen Verzögerung an. Eine Inflation von zehn Prozent und darüber werden wir voraussichtlich bereits im September sehen. Viele Versorger haben erst begonnen, die Preise anzuheben, da kommen noch einige Teuerungswellen auf uns zu.“ Auch hausgemachte Faktoren Dazu Michael Ertl, Ökonom und Referent der AK Wien: „Ein Großteil der Inflation ist natürlich die Energie. Aber wir sehen zunehmend auch Gewinn-Preis-Spiralen – einige Stromerzeuger, die ohne deutlich höhere Kosten, nun auch viel höhere Preise verlangen und damit enorme Gewinne machen. Ein anderer Bereich ist z.B. die Mietpreisspirale. In diesem Jahre wurden und werden die Mieten – also die Kategoriemieten – drei Mal angehoben, womit sie alleine in diesem Jahr insgesamt um rund 16 Prozent anstiegen. Das heißt, es gibt zahlreiche Unternehmen, die massiv von dieser automatischen Valorisierung profitieren. Hinzu kommen Trittbrettfahrer, die in diesem Umfeld ebenfalls die Preise erhöhen, ohne dass eine sachliche Rechtfertigung besteht. Antiteuerungspakete der Regierung Um die negativen Effekte abzufedern, schnürte die Regierung bereits drei Entlastungspakete von insgesamt rund 40 Milliarden Euro. Es enthält neben der Abschaffung der Kalten Progression und der Verringerung der Lohnnebenkosten vor allem Einmalzahlungen, die in Form von Energiekostenzuschüssen, Klimaboni, erhöhten Familienbeihilfen etc. an die Bevölkerung fließen. Eine Einigung erzielte die Koalition im Parlament zuletzt bei der Strompreisbremse, die ab Dezember wirken soll. Dabei werden je Haushalt 2.900 kWh Strombezug mit zehn Cent je kWh verrechnet. Ein Verbrauch über diese Grenze hinaus wird zum aktuellen Marktpreis verrechnet. Da viele Haushalte aber mit Erdgas heizen und kochen, gibt es natürlich auch die Forderung nach einer Gaspreisbremse. In jedem Fall werden die hohen Energiepreise den Konsum stark bremsen. Wirtschaftsminister Martin Kocher warnte bereits vor einer Eintrübung der Wirtschaft: „Die aktuellen Preisanstiege sind für Haushalte sowie für Unternehmen bereits bedrohlich.“ Daher will Kocher auch einen Energiekostenzuschuss für energieintensive Unternehmen durchsetzen – definitionsgemäß für all jene, deren Energiekosten drei Prozent des Umsatzes übersteigen. Den bislang 28 Milliarden Euro an direkten Kosten aus den Förderungen stehen heuer höhere Steuereinnahmen gegenüber. Sie stiegen im ersten Halbjahr um rund 17 Prozent auf 49,8 Milliarden Euro – d.s. gut sieben Milliarden Euro mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Aufs Jahr hochgerechnet sind damit die diversen Hilfszahlungen etwa zur Hälfte gedeckt. Doch vielerorts regt sich Unmut darüber, dass Energieunternehmen – vor allem Stromproduzenten aus erneuerbaren Energien – massive sog. Übergewinne erzielen und der Staat Förderungen aus Steuergeld finanzieren muss. EU-Kommission greift ein Die EU-Kommission gab den Mitgliedsländern bereits im März grünes Licht für eine Abschöpfung der sogenannten Übergewinne. Einige Länder wie Spanien, Italien, Griechenland, Tschechien, Ungarn und Rumänien führten diese auch bereits ein. In Österreich legten nun der Gewerkschaftsbund (ÖGB) und die Arbeiterkammer (AK) einen konkreten Vorschlag dafür vor (siehe Kasten rechts). Um die „Sondergewinnsteuer“ in Europa zu harmonisieren, will EUKommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nun einen Gesetzesentwurf vorstellen, der vorsieht, dass Unternehmen, die Strom aus billigeren Quellen als Gas herstellen, ihre Erlöse ab 180 Euro pro MWh an den Staat abführen. Zudem ist vorgesehen, dass Öl- und Gaskonzerne auf Profite des laufenden Jahres, die 20 Prozent über dem Durchschnitt der vergangenen drei Jahre liegen, eine „Solidaritätsabgabe“ von 33 Prozent zahlen. Teil des Gesetzesvorschlages soll aber auch ein verpflichtendes Stromsparziel sein, nach dem die Staaten den Verbrauch in Spitzenzeiten um mindestens fünf Prozent verringern sollen. Der Gesetzesvorschlag wurde Mitte September vorgestellt, Ende September ist dazu ein Sondertreffen der Energieminister geplant. „Die aktuellen Preisanstiege sind für Haushalte sowie für Unternehmen bedrohlich.“ Martin Kocher Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft Übergewinn-Steuer Arbeiterkammer und ÖGB entwarfen Ende August ein Modell zur Besteuerung der sogenannten Übergewinne von Energieunternehmen mit 60 bis 90 Prozent. Für Investitionen in erneuerbare Energieträger soll es eine sofortige und vollständige Abzugsmöglichkeit geben. Das Modell ist für die Jahre 2022 bis 2024 befristet. Von den geschätzten jährlichen Übergewinnen von etwa vier bis fünf Milliarden Euro im Geltungszeitraum sollen im AK-ÖGB-Modell ein bis 1,5 Milliarden Euro für Investitionen in „Erneuerbare“ abgezogen werden und weitere 1,5 bis 2,2 Milliarden Euro pro Jahr zur Finanzierung von Anti-Teuerungsmaßnahmen abgeschöpft werden. Das Modell sei verfassungskonform. Der Energiesektor treibt Rekordteuerung, ein Sektorbeitrag zur Finanzierung der dadurch notwendigen Hilfsmaßnahmen ist daher sachlich gerechtfertigt – wie auch die Bankenabgabe nach der Finanzkrise. „Die Rekordteuerung ist wesentlich durch die Übergewinne im Energiesektor bedingt. Es ist eine Frage der Gerechtigkeit, dass wir diese Gewinne abschöpfen und zur Finanzierung der sozialen Abfederung heranziehen“, so AK Präsidentin Renate Anderl.

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