GELD-Magazin, Juni 2022

8 . GELD-MAGAZIN – Juni 2022 D er Ukrainekrieg wurde von Beginn an in unsere Wohnzimmer getra- gen. Beinahe jeden Tag beherrscht er die Schlagzeilen in den Medien. Die Bilder getöteter Zivilisten – wie in nördlichen Vor- orten von Kiew – oder die vollkommene Zer- störung Mariupols, einer Stadt mit ursprüng- lich 450.000 Einwohnern, sind unerträglich, das Leid der ukrainischen Zivilbevölkerung erbarmungswürdig. Auf der anderen Seite gehen Bilder von Hilfsbereitschaft um die Welt, die man vorher kaum für möglich ge- halten hatte. Vor allem in Polen, wohin mitt- lerweile 3,5 Millionen Ukrainer geflohen sind, zeigt sich eine unglaubliche Willkom- menskultur. Unglaublich und bewunderns- wert deshalb, da vor dem 2. Weltkrieg zig- tausende Polen durch ukrainische Nationa- listen unter Anführung von Stepan Bandera niedergemetzelt wurden, der in der West­ ukraine noch immer als Nationalheld gilt. Aus der Geschichte der Ukraine (siehe auch Kastentext auf Seite 10), die von 1920 bis 1991 von Russland als Teil der Sowjetunion beherrscht wurde und im Zweiten Weltkrieg teilweise von den Faschisten, erklärt sich auch deren starker Nationalismus und das Bestreben, einen eigenen unabhängigen Staat zu besitzen. Um dies abzusichern, will die Ukraine dringend der Europäischen Uni- on und dem westlichen Verteidigungsbünd- nis NATO beitreten. Aber gerade diese Be- strebungen provozierten den russischen Machthaber Wladimir Putin, den Angriffs- krieg in der Ukraine vom Zaun zu brechen. Strategisch wichtige Region Ein wichtiger Wendepunkt in der Geschichte der Ukraine ist der Zerfall der Sowjetunion 1991, womit die Ukraine wieder ein selbst- ständiger Staat mit eigener Verwaltung wur- BRENNPUNKT . Ukraine-Krieg „Mitten in Europa“ Die Ukraine entzog sich mit der Maidan-Revolution dem Einfluss Russlands. Daraufhin annektierte Russland die Krim. Seither herrscht Krieg um die Ostukraine. Der territo­ riale Konflikt wird nun zum Kampf um Europa und um westliche Werte hochstilisiert. MARIO FRANZIN Credits: World Economic Forum www.swiss-image.ch/Photo by Remy Steinegger; Europäische Kommision; wikimedia/ „Die Ukraine kämpft, bis sie ihr gesamtes Territorium zurückhat.“ Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine „Dies ist ein entscheidender Moment für alle Demokratien. Die Ukraine muss diesen Krieg gewinnen.“ Ursula von der Leyen, Präsidentin der EU-Kommission „Ich schlage vor, dass die Ukraine Russland die Krim überlässt.“ Henry Kissinger, Ex-US-Außenminister de. Russland konnte jedoch nicht umhin, weiterhin mitzumischen. 2004 „gewann“ demnach bei der Präsidentschaftswahl (OSZE-Beobachter stellten damals Wahlbe- trug fest) der russlandtreue Wiktor Januko­ wytsch gegen den westlich orientierten Amtsinhaber Wiktor Juschtschenko, der während seines Wahlkampfes mit hochkon- zentriertem Dioxin vergiftet wurde und nur knapp überlebte. Orange Revolution Als Orange Revolution gingen dann jahrelan- ge Proteste und Streiks in die ukrainische Geschichte ein. Die Präsidentschaftswahl im Jahr 2010 „gewann“ trotz aller Vorbehalte wieder Janukowytsch – diesmal gegen Julija Tymoschenko, die anschließend wegen eines Vorwandes für viele Jahre inhaftiert wurde. Frustrierend für die ukrainische Bevölkerung war vor allem, dass sich die wirtschaftlichen Verhältnisse in der Ukraine nach dem Zerfall der Sowjetunion nicht besserten – Armut und Korruption herrschten weiter vor. Nach und nach vernetzte sich nun die Opposition, unterstützt von westlichen Organisationen. Die Zeit behauptete damals, dass mindestens 65 Millionen Dollar aus den USA über ver- schiedene Kanäle an Juschtschenko geflos- sen seien, mit dem Ziel, eine Ausdehnung der NATO einzufädeln. Ab November 2013 nahmen dann in der Ukraine, vor allem in den westlichen Städten, erneut die Demon­ strationen zu. Nachdem Janukowytsch in einem Dekret das geplante Assoziierungsab- kommen mit der EU zu unterzeichnen über- raschend ablehnte, gipfelten die Proteste kurz darauf Ende Februar 2014 im politi- schen Umsturz „Euromaidan“. Janukowytsch wurde abgesetzt und flüchtete nach Moskau. Julija Tymoschenko kam wieder frei.

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