GELD-Magazin, Juni 2022

nachvollziehbarem Ausmaß verteuert.“ Auch Lieferverzögerungen sind am Bau ein Thema: „Derzeit sind Lieferschwierigkeiten z.B. bei Holz, Metall, Dämmung, Elektrospe- zialteile wie auch bei Fliesen und Parkett für den Projektwohnbau bemerkbar. Wann hier Entspannung eintritt, kann heute nicht seri- ös vorhergesagt werden“, so Leitner. Eingestellte Projekte infolge höherer Baukosten? Gerüchte über abgeblasene Projekte von Bauträgern und Genossenschaften mehren sich. Angeblich gäbe es in Folge höherer Ko- sten keine Förderungen mehr. Dazu Schun- ker: „Der Baukostendruck ist am Markt spür- bar, weshalb bei einigen geplanten Projek­ ten der Baustart vertagt wird; Baustopps sind jedoch eher Einzelfälle.“ Klaus Barin- ger, Obmann des Oesterreichischen Ver- bandes gemeinnütziger Bauvereinigungen, stellt klar: „Stornierungen sind uns keine be- kannt. Von vielen Mitgliedsunternehmen hört man aber, dass sie gar nichts mehr aus- schreiben, weil sie keine oder keine finan- zierbaren Angebote bekommen. Es gibt Pro- jekte, bei denen die Bestbieter um 30 Pro- zent über der Erfüllbarkeit liegen. Diese überhitzte Marktsituation muss beendet werden.“ Am 17. Mai äußerte er sich gegen- über dem GELD-Magazin noch zu den Aus- wirkungen hoher Grund- und Baukosten und gestiegener Kreditzinsen auf den Woh- nungsmarkt: „Die in den letzten zehn Jahren massiv gestiegenen Grund- und Baukosten konnten nur wegen der niedrigen Zinsen ge- stemmt werden. Die Kosten für den gemein- nützigen Wohnbau und damit die leistbaren Mieten für die Bewohnerinnen und Bewoh- ner ergeben sich aber vor allem aus den Grund-, Bau- und Finanzierungskosten. Ge- meinsam mit der öffentlichen Hand werden wir in den nächsten Monaten die Effekte der gestiegenen Kosten und die der kommenden Zinswende abfedern. Die Neubauförderung ist von 1,8 Milliarden 2008 auf 1,3 Milliar- den Euro 2020 zurückgegangen. Hier muss es unbedingt eine Umkehr geben.“ Dass die zukünftige Baunachfrage sinken könnte, zeigt auch Baumeister Leitner: „Der- zeit herrscht noch Hochkonjunktur, die Auf- tragsbücher der Bauunternehmen sind voll und die Aufträge werden aktuell abgearbei- tet. Bemerkbar macht sich derzeit aber auch der Rückgang an neuen Aufträgen, weil Bauherren die Preisentwicklung abwarten und auf sinkende Preise hoffen. Sollte es da- her in weiterer Folge zu einem Rückgang an Aufträgen kommen, wird sich vielleicht auch das Kostenniveau wieder auf ein „nor- males“ Niveau senken, wenngleich das Ni- veau „vor Corona“ wohl nicht mehr erreicht werden wird.“ Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt „In Wien werden bei Neubauprojekten im Durchschnitt Kaufpreise ab 5.500 Euro im Eigentum (Eigennutzer Preis) und in der Miete ab ca. 12,50 Euro netto/m 2 aufgeru- fen. Die Preisdynamik ist zum einen auf die gestiegenen Bau- und Grundstückspreise, zum anderen auf die sehr gute Nachfrage so- wie den ungebrochen hohen Bedarf nach neuem Wohnraum zurückzuführen“, skiz- ziert Schunker die aktuelle Marktsituation, und wie geht es weiter? „Mit der voraus- sichtlichen Zinserhöhung der EZB werden vor allem Käufer, die variable Kredite aufge- nommen haben, vor einer neuen Fixkosten- situation stehen. In manchen Fällen wird es zu Wohnungsveräußerungen kommen. Auf- grund des sehr knappen Angebots im Eigen- tumsbereich (der Großteil der neuen Pro- jekte entfällt auf den Mietbereich) und der zugleich sehr hohen Nachfrage rechne ich mit keinen Preissenkungen, zumal der über- wiegende Teil unserer Wohnungssuchenden nach wie vor über ausreichend (Eigen-)Ka- pital verfügt“, erklärt Schunker. Ebenfalls die Finanzierungsseite betrachtet Stefan Koller, Geschäftsführer der auf Bau- herrenmodelle spezialisierten Pericon GmbH in Graz: „Immobilienfinanzie- Juni 2022 – GELD-MAGAZIN . 65 „Der Baukostendruck ist am Markt spürbar, weshalb bei einigen geplanten Projekten der Baustart vertagt wird; Baustopps sind jedoch eher Einzelfälle.“ Karina Schunker, Geschäfts­ führerin der EHL Wohnen GmbH Wohin geht der Baukostentrend? Im März und April haben sich im Wohnungs- und Siedlungsbau die Gesamtbaukosten gegenüber den Vormonaten um jeweils 4,6 bzw. 2,4 Prozent erhöht. Hingegen liegen am Terminmarkt die Holzpreise auf Drei-Monatssicht bereits 36 Prozent im Minus, während sich die Rohölpreise noch um ein Viertel verteuerten. Wann ist dann mit einer Entspannung an der Preisfront zu rechnen? Schunker: „Das ist von den Entwicklungen der erwähnten Faktoren abhängig, die zum Teil durch die Ukraine-Krise verstärkt wurden. Eine genaue Aussage kann somit leider nicht getroffen werden. Aus heutiger Sicht rechne ich jedoch damit, dass sich der aktuelle Trend bis in den Sommer fortsetzen wird.“ Und Leitner skizziert folgenden Ausblick: „Eine Entspannung ist derzeit nicht in Sicht. Die weiteren Entwicklungen der Coronakrise im kommenden Herbst und des fast ausweglosen Ukraine- Kriegs sind nicht absehbar. Allein der Rückgang an Bautätigkeit kann dazu führen, dass wir wieder zu einem ,normalen‘ Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage gelangen. Dies könnte sich – ohne Berücksichti- gung der Rohstoffpreise – vielleicht preismindernd auswirken.“

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