GELD-Magazin, Juni 2022

60 . GELD-MAGAZIN – Juni 2022 tät, freie Zugänglichkeit und Dezentralisie­ rung und ermöglichen vielen Menschen auf der ganzen Welt finanzielle Inklusion. Mei­ ner Ansicht nach muss man sich eingestehen, dass dies teilweise den zusätzlichen ökolo­ gischen Fußabdruck, den die Kryptoindustrie verursacht, überwiegt. Wir haben bereits die Skalierungspro- bleme der einzelnen Layer-1 Netzwerke angesprochen. Wie sehen Sie den aktu- ellen Wettlauf zwischen Ethereum, Carda- no, Solana, Avalanche usw.? Werden wir in Zukunft ein Multichain-Web3 sehen? Wenn wir uns die Entwicklung des Marktan­ teils von Ethereum bei dezentralisierten Finanz­ anwendungen (DeFi) ansehen, der innerhalb kurzer Zeit von 90 auf jetzt 50 Prozent ge­ sunken ist, scheint es nicht weit hergeholt, dass wir in Zukunft mehrere Ökosysteme ha­ ben könnten. Die Zahl der Entwickler in al­ ternativen Netzwerken wie NEAR, Avalan­ che, Solana usw. wächst im Vergleich zu Ethereum rasant. Ethereum ist zwar immer noch das größte, aber was die Wachstumsra­ te angeht, ziehen andere Ökosysteme derzeit viel mehr Entwickler an. Diese Kombination aus sinkendem Marktanteil und der Abwan­ derung von Entwicklern zu anderen Layer- 1-Blockchains ist ein Hinweis darauf, dass wir in Zukunft ein Mulitchain-Web3, beste­ hend aus mehreren parallel laufenden Netz­ werken sehen werden. Ich glaube jedoch, dass dabei nur eine Handvoll Ökosysteme überleben wird. In diesem Fall ist die Interoperabilität der Schlüssel für die weitere Entwicklung der Branche. Welche Lösungen gibt es für die- ses Problem und welche Projekte sind Ih- rer Meinung nach wegweisend? Das hängt stark von Sicherheits- und ande­ ren Anforderungen ab, die an diese Interope­ rabilitäts-Layer gestellt werden. Polkadot’s Lösung mit Parachains und Relaychains ist zum Beispiel sehr teuer in der Anwendung, weil man dabei ein Communityvoting durch­ laufen und einen bestimmten monetären Schwellenwert erreichen muss, um sich an das Ökosystem anzubinden. Das ist auch der Grund, warum sich einige Projekte von Pol­ kadot abgewandt haben und zu Konkurren­ ten wie Cosmos gewechselt sind. Cosmos ist in mancher Hinsicht viel flexibler und defi­ nitiv ein Vorreiter, wenn es darum geht, ein­ fach und kostengünstig eine eigene Block­ chain zu entwickeln, sich mit dem Cosmos- Ökosystem zu verbinden und Interoperabili­ tät herzustellen. Diese Benutzerfreundlich­ keit ist für viele Entwickler wichtig und könnte sie daher eher zu Cosmos als zu Pol­ kadot führen. Auch Polygon baut derzeit an einer eigenen Interoperabilitäts-Lösung und Avalanche Subnets ist ein weiterer potenziell erfolgreicher Kandidat, mit dem man zu­ künftig seine eigenen „permissioned“ oder „permissionless“ Blockchains bauen kann. Herr Ndinga, lassen Sie uns abschließend nochmal auf potentielle Marktrisiken zu sprechen kommen. Welche Ereignisse, die die weitere Entwicklung von Bitcoin und Web3 in naher Zukunft beeinflussen könnten, sollte man im Auge behalten? Es gibt viele solcher Kräfte, die zu unvorher­ gesehenen Ereignissen führen können, aber bei 21Shares versuchen wir, solche Faktoren im Voraus zu identifizieren. Worauf wir uns im Moment konzentrieren, ist die EU-Ver­ ordnung über Krypto-Assets namens MiCA. Diese wird sich definitiv darauf auswirken, wie andere Länder, die zur Europäischen Union aufschauen, Krypto-Assets regulieren könnten. Auch die „Executive Order“ in den USA hatte beispielsweise einen großen Ein­ fluss auf die Einstellung in Großbritannien, wo wir jetzt eine relativ positive Haltung ge­ genüber Krypto-Assets sehen. Natürlich ist auch der Aufstieg von CBDCs, also digitalem Zentralbankgeld, ein sehr wichtiger Faktor. Wir sehen das in China, das sich im ersten Jahr seines digitalen Yuan befindet, und wir denken, dass der Konflikt zwischen der Uk­ raine und Russland auch zur Schaffung eines russischen CBDC führen wird, nach­ dem es nun aus dem SWIFT-Netzwerk ausge­ schlossen wurde und nach Alternativen su­ chen muss. Generell lässt sich sagen, dass viel von der Haltung der einzelnen Länder abhängen wird, weshalb man Regulierungen und politische Entwicklungen auf jeden Fall im Auge behalten sollte. INTERVIEW . Eliézer Ndinga, 21shares Es gibt keine andere Technologie, die demokratische Werte besser repräsentiert als Krypto-Assets. Credit: BIT Capital/Jonas Friedrrich ZUR PERSON Eliézer Ndinga ist Leiter des Research- Teams von 21Shares und liefert Einblicke in die globale Wirtschaft, die Märkte, die Geopolitik und die langfristige Vermö­ gensallokation: alles, um Kunden bei der Navigation auf dem Krypto-Asset-Markt zu unterstützen. Als Venture Capital As­ sociate kann er Erfahrung in der Leitung von Investitionen in der Seed- und Early- Stage-Phase von Fintech- und Digital As­ set-Start-ups vorweisen, da er drei Inve­ stitionen in Fonds einbrachte, darunter ein Fintech-Einhorn. Im Jahr 2015 erhielt er seinen Master-Abschluss in Interna­ tional Business mit Auszeichnung und schrieb seine Master-Thesis über Bitcoin.

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