GELD-Magazin, Juni 2022

Warren Buffett 2.0 A catis ist eine relativ kleine, aber feine Investmentgesellschaft, die den Begriff „Value“ neu definiert hat. Seit der Umstellung des Investmentpro- zesses auf „Value 2.0“ überzeugt die Perfor- mance der Acatis-Aktienfonds. Acatis ver- waltet ein Vermögen von mehr als 13 Milli- arden Euro. Herr Leber, inwieweit war Ihre Karriere als Fondsmanager vorgezeichnet durch Ihren Berufsweg? Erst war ich fünfeinhalb Jahre bei McKinsey, danach ebenso lange beim Bankhaus Metz- ler. Bei McKinsey lernte ich, wie die Leute bei Unternehmen ticken, wie Organisati- onen funktionieren, was bei wichtigen in- ternen Entscheidungen bis hin zur Umset- zung alles noch schiefgehen kann. Bei Metzler habe ich hingegen Erfahrungen in der Bewertung von Unternehmen gesam- melt. Die Finanzmärkte sind sehr kurzlebig, und oft von kurzfristigen Trends getrieben. Deswegen ist es wichtig zu verstehen, wa- rum viele Unternehmen anders funktionie- ren als die Märkte das erwarten. Oft stand die Frage im Mittelpunkt, ob Firmen, die in Schwierigkeiten geraten, aus eigener Kraft wieder den Turnaround schaffen und ge- winnbringend arbeiten können. Denn bei solchen Kandidaten kann es sich um chancen- reiche Investments handeln. Wie hat sich dann Ihr Anlagestil entwi- ckelt? Mein Vorbild beim Investieren ist der Alt- meister des Value Investing, Warren Buffett. Buffett selbst hat eine ganze Reihe von Bör- senweisheiten geprägt, und wird deshalb auch das Orakel von Omaha genannt. Eine seiner Weisheiten lautet: Kaufe großartige Unternehmen zu einem fairen Preis, nicht bloß gute Unternehmen zu einem billigen. Der Unterschied ist, dass Qualitätsfirmen das Potenzial haben, Schwierigkeiten zu überwinden. Bei bloß billigen Unterneh- men ist das weniger wahrscheinlich. Doch manche unserer Investoren haben eine ganz andere Vorstellung. Sie glauben, der Value-Stil bedeute einfach, regelmäßig teure Firmen zu verkaufen und in billige nachzuinvestieren. Ein paar Jahre habe ich das mitgemacht, aber dann entschieden, meinen eigenen Weg zu gehen und nicht den vielen Börsenweisheiten nachzulaufen, die es an den Märkten gibt. Und deshalb habe ich auch Buffetts Investmentansatz weiterentwickelt und für das 21. Jahrhun- dert angepasst. Worin unterscheidet sich Ihr Investment- stil „Value 2.0“ von Buffett? Nun, zunächst bin ich deutlich jünger. Das ist vielleicht auch der Grund für unsere un- terschiedliche Herangehensweise bei Tech- nologieunternehmen. Buffett war da immer der Meinung, dass Investments in Techfir- men außerhalb seines „Circle of Compe- tence“ lägen, daher könne er in solche Un- ternehmen nicht investieren. Da die Perfor- mance seiner Holding Berkshire Hathaway davon abgesehen auch meist herausragend war, haben nur wenige Investoren Buffett und seine Entscheidung, nicht im Technolo- giebereich zu investieren, in Frage gestellt. Ich konnte das nicht nachvollziehen und habe mich gefragt, warum soll ich nicht in qualitativ hochwertige Technologieunter- nehmen investieren? Bei solchen Invest- ments helfen natürlich naive Value-Krite- rien, wie das Kurs-Gewinn-Verhältnis oder das Kurs-Buchwert-Verhältnis, nicht weiter. Denn gerade bei Techfirmen muss ich sehr genau analysieren, wie wahrscheinlich es ist, dass solche Firmen auch nach zehn Jah- ren immer noch erfolgreich am Markt un- terwegs sind. Für diese Beurteilung sind ad- aptierte Kriterien notwendig, wie etwa die Ausgaben für Forschung und Entwicklung, die Anzahl und Qualität der Patente oder die Entwicklung der Großkunden-Bezie- hungen. Wichtig sind zudem das Manage- ment und die Corporate Governance des Unternehmens. Letztlich entscheidet immer die Entwicklung des freien Cash Flows über die Qualität eines Technologieunterneh- mens, unabhängig von einer optisch relativ hohen Bewertung nach dem Kurs-Gewinn- oder dem Kurs-Buchwert-Verhältnis. Aber bei Buffett hat sich gerade, was Technologieunternehmen betrifft, doch einiges getan … Wenn man es genau betrachtet, hat sich nicht allzu viel getan. Ja, natürlich, mit sei- nem Tech-Investment in Apple hat Buffett 150 Milliarden Dollar verdient, das macht ihm so leicht niemand nach. Doch im Groß- en und Ganzen ist Apple Buffets einziges großes Tech-Investment geblieben. Und Die Zeiten sind rauer geworden an denWeltbörsen.Viele Indizes befinden sich in oder knapp vor einem Bärenmarkt.Wie Anleger die Basis für Ihr Vermögen legen können, erfahren Sie im folgenden Interview. WOLFGANG REGNER Credit: beigestellt/Archiv Deshalb habe ich auch Buffetts Investmentansatz weiterentwickelt und für das 21. Jahrhundert angepasst. 24 . GELD-MAGAZIN – Juni 2022 INTERVIEW . Hendrik Leber, Acatis

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