GELD-Magazin, Mai 2022

gar noch mehr erwarten können? Immerhin haben wir es heute mit gleich zwei Krisen zu tun, von denen die meisten Menschen zuvor nicht einmal eine für möglich gehal- ten hätten. Ronald-Peter Stöferle, Partner und Edelmetallexperte bei der Incremen- tum AG, sieht das so: „Die Gold-Perfor- mance hat mich nicht enttäuscht. Im Jahr 2020, als die Pandemie schlagend wurde, hat es genau das getan, was es tun sollte, und was von ihm erwartet worden war: Gold hat ein Gesamtportfolio in einer Phase hoher Volatilität stabilisiert und gegen die steigende Inflation im hartnäckigen Nied- rigzinsumfeld abgesichert.“ Gold als „Verteidiger“ Stöferle zieht in diesem Zusammenhang ger- ne den Vergleich aus der Welt des Sports und Fußballs: „Gold agiert sozusagen als so- lider Verteidiger einer Mannschaft, sprich eines Portfolios. Das Edelmetall nimmt im Team also die Position eines verlässlichen Defensivspielers ein. Wobei die Devise aus dem American Football gilt: Die Offensive gewinnt das Spiel, die Verteidigung die Mei- sterschaft!“ Wobei der Experte optimistisch ist, dass Gold selbst weiter auf der Gewin- nerstraße fährt: „Das Edelmetall befindet sich in einem Bullenmarkt, der nicht zu Ende ist. Als physisch begrenztes Gut wird es gegenüber beliebig vermehrbaren Fiat- Währungen aufwerten.“ Das Umfeld bleibt für Gold laut dem Experten aus mehreren Gründen gut: An erster Stelle ist natürlich die „geopolitische Prämie“ (Ukraine, Coro- na) zu nennen. Aber auch die unüberseh- bare Inflation, absehbare Zinserhöhungen und auch Quantitative Tightening lassen das begehrte Edelmetall hell glänzen. Nicht zu vergessen: Die Wirtschaft läuft nicht mehr rund, das merkt man etwa am stotternden Motor Chinas. In den USA hält Stöferle in den kommenden zwölf Monaten eine Rezes- sion für möglich, in Europa sei sie sogar noch wahrscheinlicher. „Wobei Gold als Re- zessions-Hedge fungiert“, so Stöferle. Nach dem Schock . ERDÖL Der Ölpreis musste einiges seiner Gewinne wieder abgeben. Hier spielt die Psychologie mit: Zwar erschüttert der Krieg noch immer die Welt, an den Rohstoffmärkten ist der erste Schock aber (halb) verdaut. Konsolidierung. Der Ukraine-Krieg inklusi- ve der schweren Sanktionen aus dem We- sten haben den Ölpreis in lichte Höhen ka- tapultiert. Das extrem hohe Niveau konnte aber nicht sehr lange durchgehalten wer- den, Anfang März wechselte der Chart in ei- nen Korrektur-Modus. Den weiteren kurzfri- stigen Verlauf vorhersagen zu wollen, gleicht dem berühmten Blick in die Kristall- kugel, weil die Entwicklung stark vom un- vorhersehbaren Kriegsgeschehen abhängt. Mittel- und langfristig ist ein Hetzen von Rekord zu Rekord aber unwahrscheinlich, eine Konsolidierung mit volatilem Seit- wärts-Trend ist eine realistische Variante. Union Investment geht in seiner 12-Monats- Prognose sogar nur von 75 Dollar (der Sorte Brent) aus. Nachdem die Wirtschaftsprogno- sen schwächeln, könnte Erdöl als „Schmier- stoff der Ökonomie“ tatsächlich Einbußen erleiden. Gute Vorzeichen . GOLD Nach dem Rekord-Ausschlag nach oben zu Be- ginn des Ukraine-Kriegs im März läutete Gold eine Konsolidierungsphase ein. Als nächstes wichtiges Ziel müsste die Marke von 2.000 Dollar nachhaltig überwunden werden. Schallmauer im Visier. Anfang März prallte Gold noch von der psychologisch wichtigen horizontalen Widerstandslinie bei 2000 Dollar pro Feinunze ab. Jetzt wird eine Verschnaufpause eingelegt, um Kräfte zu sammeln, vielleicht kann die „2000er- Schallmauer“ bald in Angriff genommen werden. Die fundamentalen Rahmenbedin- gungen erscheinen für das Edelmetall je- denfalls günstig: Im Angesicht von Ukraine- Krieg, nicht völlig überstandener Pandemie und frappierender Inflation könnte man ru- hig noch einen Zahn zulegen. Lynxbroker.at beobachtet für 2022 eine breite Streuung der Kursziele: Sie reichen bei den großen Banken von rund 1.500 bis 2.500 Dollar. Am vernünftigsten ist es aber ohendies, das Edelmetall regelmäßig in kleineren Mengen zuzukaufen (Sparpläne werden angeboten), denn den „richtigen Zeitpunkt“ für einen Einstieg erwischt man ohnedies kaum. Sorte Brent, USD/Barrell 2019 2020 2021 20 60 40 80 100 120 140 USD/Unze 1.200 1.500 1.400 1.300 1.900 1.800 1.700 2.000 1.600 2.100 2019 2020 2021 Mai 2022 – GELD-MAGAZIN . 39

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