GELD-Magazin, April 2022

D as GELD-Magazin hat führende Privatbanken zu ihrer Anlagestra- tegie und Einschätzung der Wirt- schaftsentwicklung in äußerst stürmischen Zeiten befragt. Wenig verwunderlich, spie- len hier die explodierenden Energiepreise eine wichtige Rolle. Energiepreise belastenWirtschaft Sieglinde Klapsch und Alexander Eberan, Private Banking Steiermärkische Sparkasse, kommentieren: „Mit Beginn des Russland- Ukraine-Konflikts sind die ohnehin schon über die Corona-Krise stark gestiegenen En- ergiepreise weiter deutlich nach oben ge- gangen. Die hohen Energiepreise und die durch den Konflikt zusätzlich gestörten Lie- ferketten lassen mittelfristig auf eine etwas stärkere Abschwächung der Wirtschaft schließen. Längerfristig sollte sich die Situa- tion jedoch wieder normalisieren und wie- der höhere Wachstumsraten möglich sein.“ Harald Friedrich, Stellvertretender Vor- standsvorsitzender der LLB (Liechtenstei- nische Landesbank Österreich), sieht die Si- tuation ähnlich: „Bei der Weltwirtschaft wird sich der globale Aufschwung 2022 vo- raussichtlich auch unter Berücksichtigung der negativen Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine fortsetzen, wenngleich mit einem deutlich niedrigeren Tempo. Das vor dem Ausbruch der Ukrainekrise noch realis- tische Konjunkturwachstum klar über dem Schnitt des letzten Jahrzehnts, hat ange- sichts erhöhter Energiepreise deutlich an Wahrscheinlichkeit verloren.“ Für Europa sind laut Friedrich die Risiken ausgehend vom Ukraine-Krieg kurzfristig noch deutlich gravierender: „Über steigende Gas- und Öl- preise sowie den Einbruch des Verbraucher- vertrauens wird sich die Erholung der euro- BANKING . Strategie der Privatbanken Keine Panik Ruhe bewahren, lautet das Fazit für Investoren, so renommierte Privatbanken. Auch wenn das in der aktuellen Situation schwerfällt: Ukraine, Inflation und Corona belasten. Ein ausgewogenes Portfolio darf jetzt nicht auf Aktien vergessen. HARALD KOLERUS päischen Wirtschaft neuerlich verzögern und im Worst Case länger anhaltender En- ergiepreisverwerfungen oder Gasliefer- stopps ist trotz geringer wirtschaftlicher Verflechtung mit Russland ein Abrutschen in eine Rezession realistisch.“ Die Inflation dürfte dem Experten zufolge angesichts der Energiepreisverwerfungen weiter steigen, und sich einen großen Teil des Jahres auf einem unangenehm hohen Niveau bewe- gen. Im besten Fall könnte im vierten Quar- tal eine leichte Entspannung einsetzen. Eingetrübter Ausblick Harald Holzer, Chief Investment Officer der Kathrein Privatbank, fügt hinzu: „Der wirt- schaftliche Ausblick für 2022 hat sich, nicht nur aufgrund des Krieges in der Ukraine, deutlich eingetrübt. Grund dafür sind Mate- rialengpässe und immer noch disruptierte Lieferketten. Weiters ist die Inflation zu nennen, die sich als dauerhafter erweist, als ursprünglich angenommen. Der Krieg in der Ukraine hat diese Lage verschärft, angefan- gen von den Energiepreisen über Weizen bis hin zur Autozulieferindustrie zeitigt er Kon- sequenzen.“ Die Inflation wird laut Holzer hoch bleiben, das Wirtschaftswachstum aber rückläufig sein: „In Europa ist ein der- artiges Szenario wahrscheinlicher als in den USA, die deutlich weniger von russischer Energie abhängig sind. Eine Inflation, die dauerhaft über vier bis fünf Prozent liegt, hat negative Auswirkungen auf Anlagen in Aktien, Anleihen und den Geldmarkt.“ Chri- stian Nemeth, Chief Investment Officer der Zürcher Kantonalbank, sieht die Weltwirt- schaft wiederum in einer Normalisierungs- phase: „Nach einen durch starke Nachholef- fekte induzierten Booms im letzten Jahr, verlangsamt sich das Wirtschaftswachstum Credits: beigestellt/Archiv; m.mphoto/stock.adobe.com Christian Nemeth, Chief Investment Officer, Zürcher Kantonalbank Österreich Staatsanleihen Negatives Bild, denn die Renditen wer- den weiter steigen. Rohstoffe Doch Obacht: Nach den Kurssprüngen sind Investments in diesem Bereich teu- er geworden. Aktien Auch nach den jüngsten Turbulenzen an den Börsen bleiben Aktien weiterhin die präferierte Anlageklasse. „Wir raten weiter- hin von kurzfristig motivierten, starken Umschichtungen im Portfolio ab.“ 20 . GELD-MAGAZIN – April 2022

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