GELD-Magazin, März 2022

D ie Eindämmung des Klimawandels „birgt durchaus auch sozialen Sprengstoff“. Mit dieser Aussage ließ Stefan Bruckbauer, Chefvolkswirt der UniCredit Bank Austria, im Gespräch mit dem GELD-Magazin aufhorchen (Ausgabe 02/2022). Denn die Klima-Maßnahmen (CO 2 -Bepreisung usw.) werden zu noch hö- heren Energiekosten führen, die reale Ein- kommensverluste für alle zur Folge haben. Allerdings werden darunter vor allem ein- kommensschwächere Schichten leiden, denn sie geben überproportional viel für Heizen, Transport, Lebensmittel etc. aus. Bruckbauer: „Es handelt sich also um ein starkes sozialpolitisches Thema, dass eine gewisse Umverteilung nach unten umfasst. In Österreich befinden wir uns noch in der Komfortzone. Aber was passiert, wenn stei- gende Preise im Kampf gegen den Klima- wandel einmal wirklich wehtun werden?“ Kosten des Klimawandels Es ist unumstritten, dass die Erderwärmung vehement bekämpft werden muss. Verdrängt wird allerdings, dass diese Bemühungen einkommensschwache Bürger finanziell besonders stark treffen könnten. Es drohen neue soziale Bruchlinien. HARALD KOLERUS Credits: beigestellt/Alexander Müller; Adobe Stock, Valmedia Schwierige Aufgaben Der Ökonom spielt damit natürlich auf die aktuell heiß diskutierte Spaltung der Gesell- schaft im Zuge der Corona-Krise an. Könnte jetzt die Erderwärmung nicht nur den Pla- neten, sondern auch die aggressive Stim- mung noch weiter aufheizen? Droht gar das „soziale Pulverfass“ zu explodieren? Das GELD-Magazin hat bei Expertinnen und Ex- perten nachgefragt. Claudia Kettner-Marx, Senior Economist am Wifo, möchte die Be- fürchtung, dass die Bekämpfung des Klima- wandels „sozialen Sprengstoff“ berge, nicht teilen: „Das halte ich doch für stark zuge- spitzt. Unbestritten ist aber, dass uns die Er- derwärmung vor enorme Herausforde- rungen stellt. So will Österreich bis 2040 CO 2 -neutral werden, um die Ziele von Paris zu erfüllen. Dabei sind Abgaben auf Treib- hausgas-Emissionen natürlich wichtig und richtig. Wobei ebenfalls klar ist, dass nied- WIRTSCHAFT . Nachhaltigkeit und Gesellschaft 18 . GELD-MAGAZIN – März 2022 Treibhausgasemmissionen undWirtschaftsleistung Der Kampf gegen CO 2 -Emissionen hat das BIP in Österreich und der EU nicht gebremst, weil neue Industriezweige alte schrittweise ersetzen. Es stellt sich allerdings die Frage, wie im neuen „grünen“ Wirtschaftssystem die Umverteilung aussehen soll. Quellen: Statistik Austria, Eurostat, UniCredit Research BIP zu Preisen 2010, 1995=100 Ungleich oder nicht? Steigende Energiepreise treffen vor al lem ärmere Menschen. Aber wie „gerecht“ ist der Wohlstand eigent- lich gestreut? Um Auskunft über die Einkommensverteilung geben zu kön- nen, wird der Gini-Koeffizient verwen- det. Dieser ist ein anerkanntes Maß für die Beschreibung von Ungleichheit und nimmt Werte zwischen 0 (alle verdie- nen dasselbe) und 1 (einer verdient al- les) an. Eine Analyse des Gini-Koeffizi- enten der vergangenen Jahre zeigt laut Agenda Austria, dass sich die Einkom- mensverteilung auf der Welt weiter an- geglichen hat. „Die Einbindung der be- völkerungsreichen Länder wie China und Indien in den globalen Wertschöp- fungsprozess spiel t dabei natürl ich eine große Rolle. Aber auch ohne diese Länder ist es zu einer Angleichung der Einkommen gekommen“, so der Think- Tank. Positives Fazit der Ökonomen: Die Armut würde also in Wahrheit nicht wachsen, sondern weniger werden. 100 110 120 130 140 150 160 60 70 80 90 95 96 97 98 99 00 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 BIP Österreich BIP EU28 THG-E EU28 THG-E Österreich

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