GELD-Magazin, Juli/August 2021

„Gutes Umfeld für reale Werte“ wicklung vor allem am langen Ende – und die Zinserwartungen sind auch die Inflati- onserwartungen. Wir hatten ja mit einer Double Dip Recession in Deutschland eine ganz schlechte Ausgangssituation – aber da hat der Markt auch hindurchgeschaut. Die Dynamik, die wir jetzt in der Wirtschaft se- hen, kommt natürlich auch aus den Basisef- fekten. Auch wenn die konjunkturellen Er- wartungen für dieses Jahr noch etwas herabgestuft werden, weil man die Nach- wirkungen der Pandemie unterschätzt hat, wird das im nächsten Jahr aufgeholt, selbst wenn die Entwicklung etwas abflachen sollte. Das ist eine Beobachtung, die auch für die Börsen ganz gut ist. Mit dem Vorbe- halt, dass es keine negative Überraschung auf der Corona-Seite gibt. Aber ist das nicht eine Überstimulierung, wenn die Zentralbanken weiter Anleihen kaufen, die Zinsen bei Null halten und das bei einer kräftigen Wirtschaft? Ja, das ist absolut richtig. Aus dieser Per- spektive erleben wir eine extreme Inflation – aber eben eine Assetpreis-Inflation. Die erste sahen wir bei den Staatsanleihen, die zweite bei den Investment Grade (IG)- Bonds und die nächste bei den Aktien sowie Immobilien. Natürlich haben wir hier eine Überstimulierung. Sie passiert aber nicht überall. China macht z.B. eine ganz andere Politik – dort gibt es mit fast drei Prozent ei- nen hohen Realzins, in Japan ist der Real- zins übrigens auch positiv. Und wenn Sie die Börsenentwicklung dieses Jahr an- schauen, dann ist sie in China enttäuschend gewesen. Ich bin der erste, der in den USA und in Europa eine Überstimulierung sieht. In Europa wird sie durch eine Allianz der Südländer gemeinsam mit Frankreich ange- D ie Wirtschaft läuft extrem gut, die Notenbanken stimulieren weiter, die Aktienmärkte steigen auf im- mer neue Allzeithochs, nachdem sie sich seit der Krise bereits mehr als verdoppelt haben. Vor allem in den USA ist die Inflati- on stark angestiegen – im April um 4,2 Pro- zent, im Mai um 5,0 Prozent –, dennoch zei- gen sich die Renditen an den Anleihenmär- kten in den USA mit derzeit rund 1,5 Pro- zent im Zehnjahresbereich und in Europa unter 1,0 Prozent (Italien) bzw. minus 0,2 Prozent (Deutschland) sehr verhalten. Herr Dr. Kaffarnik, wie sehen Sie die wei­ tere Entwicklung bezüglich der Inflation und möglicher Reduzierungen der Unter­ stützungen der Zentralbanken? Der Markt geht davon aus, dass bereits vor 2023 eine Zinserhöhung kommen könnte. Im Fundmanager-Survey wurde schon im Mai von rund der Hälfte der Befragten für 2022 eine erste erwartet. Das hat den Markt aber nicht wirklich berührt. D.h. die Aktien- märkte steigen weiter – aber wir haben ja auch ein gutes Umfeld dafür. Die Fed liegt mit ihrer im Juni geäußerten Zinserhö- hungserwartung ohnehin hinter dem Markt. Das ist deshalb so, weil sie bereits letztes Jahr klargemacht hatte, dass sie bei der In- flation einen Mittelwert nehmen will und durchaus auch Raten von mehr als zwei Prozent für einige Monate oder Quartale to- lerieren wird. Damit nimmt die Fed eine sehr vorausschauende Position ein. Was jetzt inflationstreibend ist, sind sowohl Nachfrageeffekte als auch Beschränkungen auf der Angebotsseite, die noch nicht ganz reibungslosen Lieferketten und die Chip- Problematik. Beides gibt jetzt eine Doppel- geschichte bei der Inflation. Aber der Markt DieWirtschaft boomt, die Zentralbanken bleiben expansiv. Dennoch dürfte die Inflation für die Aktienmärkte kaum ein Problem werden, meint Ulrich Kaffarnik von DJE Kapital AG. Aktien bleiben die favorisierte Anlage. MARIO FRANZIN Credit: beigestellt 8 . GELD-MAGAZIN – Juli/August 2021 INTERVIEW . Ulrich Kaffarnik, DJE Kapital AG schaut ebenso wie die Fed einfach durch – sowohl in den USA als auch in Europa. Bei den Realzinsen haben wir natürlich eine desolate Situation – sie liegen in den USA bei minus 3,5 Prozent, in Deutschland bei minus 2,5 Prozent. Aber die Märkte sagen auch: Wenn die Inflation vorübergehend ist und die Notenbanken auch erst später bremsen, dann wird die Konjunktur auch nicht durch eine frühzeitige Zinsanhebung abgewürgt. Deshalb sehen wir derzeit stabi- le Aktien- und Bondmärkte. Der Trigger für die Aktienmärkte sind vor allem die niedrigen Zinsen. Mögli­ cherweise wird die Inflation im zweiten Quartal durch Basiseffekte noch eine überschießende Reaktion zeigen. Wie wird das von den Märkten aufgenommen werden? Die Frage ist, wo die Grenze liegt. Wenn bei der Inflation Zahlen kommen, die deutlich über sechs Prozent sind, dann dürfte das eine negative Überraschung sein. Der Markt hat etwa fünf bis sechs Prozent eingepreist. Aber stellen Sie sich vor, es kommt wieder eine Vier – dann wird der Markt wahr- scheinlich den nächsten Move nach oben machen. Im Grunde folgen die Märkte der Ansicht der Notenbank. Wenn es nicht so wäre, hätten wir eine ganz andere Zinsent- Wir haben eine extrem hohe Inflation – aber wir sehen diese hauptsächlich als Assetpreis-Inflation.

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