GELD-Magazin, Juli/August 2021

es gibt halt lange Zeit keine Ausschüttungen von der Zentralbank an den Staat. Aber was soll’s? Wir haben geldpolitisch bereits so viele Regeln gebrochen und leben in einer Welt, die völlig verdreht ist. Aber wenn die Welt fünf Jahre grotesk ist, dann wird das Groteske zum neuen Normalen. Mit alten Maßstäben hat das gar nichts mehr zu tun. Wie positionieren Sie sich in diesem „gro­ tesken“ Umfeld? Für Aktien bin ich optimistisch. Eine mode- rate Inflation ist nicht das Problem. Es gibt sogar Studien, die sagen, dass gemäßigte In- flation sogar förderlich ist. Ich stelle mir viel eher vor, dass die Inflation in den nächsten Jahren zwischen zwei und drei Prozent lie- gen wird, als zwischen ein und zwei Prozent wie in den letzten Jahren. Und das ist ein klarer Vorteil für Sachwerte. Es gibt sogar Studien, die zeigen, dass die KGVs ansteigen, wenn die Inflation nach oben geht. Weil es heißt: raus aus den Nominalwerten und rein in Sachwerte – und ein ganz substanzieller Sachwert ist natürlich die Aktie. Die Bewer- tung zu den Zinsen spricht ebenso für die Aktie wie die Konjunktur. Bewertungsex- zesse gibt es zwar in den USA an der einen oder anderen Ecke, aber insgesamt nicht dramatisch. Bezüglich der Regionen und Sektoren wie auch bei den verschiedenen Stilen haben wir keine Detailpräferenz. Wir finden überall interessante Aktien. Wir schließen z.B. nicht prinzipiell Rohstoffe oder Technologie aus, sondern es hängt im- mer vom einzelnen Unternehmen ab. Ob- wohl wir sehr international investiert sind, sehe ich in Europa ein gewisses Aufholpo- tenzial aufgrund der zyklischen Komponen- te. Da ist die Erholungsmöglichkeit derzeit stärker, die USA hat hier einen Vorlauf – und die Bewertung ist in Europa niedriger. Das ist auch der Grund, der amerikanische und angelsächsische Investoren nach Europa bringt – wir sehen da sukzessive Zuflüsse. Das Taiwan-Risiko sehen wir natürlich, aber dazu ein anderes Beispiel: Wir wissen auf- grund der Erdplattenkonstruktion, dass es ein riesiges Erdbeben in Kalifornien geben wird, bei dem das halbe Land in die Bre- douille kommt. Auf so etwas kann man aber keinen Investmentcase aufbauen. Ich weiß ja nicht, ob das morgen passiert, in drei Mo- naten oder in 30 Jahren. So ist es auch mit dem Thema Taiwan – und dann ist da im- mer die wirtschaftliche Konsequenz daraus entscheidend. Streng genommen ist die Börse unmoralisch und interessiert sich nicht dafür, ob es in Hongkong Leute gibt, die die beste Gesinnung haben und die da- für ins Gefängnis gehen. Die Börse will nur Stabilität. Daher klopfen wir auftretende Konflikte immer dahingehend ab. Wie gehen Sie mit den Anleihenpositio­ nen um – bei den erwarteten moderaten Zinsanstiegen? In den USA erwarte ich noch einen leichten Zinsanstieg – auf vielleicht zwei Prozent für zehnjährige Staatspapiere. Davon gehen auch die meisten Marktteilnehmer aus. Da ist es derzeit unattraktiv, ans lange Ende zu gehen und dann fallende Bondkurse in Kauf zu nehmen. Daher haben wir unseren Schwerpunkt bei kürzer laufenden Unter- nehmensanleihen – etwa im Bereich von zwei bis fünf Jahren. Und selektiv durchaus auch im High Yield-Bereich (HY), wenn wir das Unternehmen sehr gut kennen. Also, wir kaufen keine High Yield-ETFs sondern direkt Anleihen von Unternehmen, die z.B. kurzfristig aus dem IG- in den HY-Bereich gefallen sind – aufgrund eines Modellflops oder durch eine Fehlinvestition. Das ist üb- rigens generell eine sehr interessante Kate- gorie: Bonds von Fallen Angels. Denn diese Unternehmen kehren oft nach einer Zeit wieder zurück in den IG-Bereich. Also inso- fern investieren wir derzeit in eine Mi- schung aus IG- und HY-Bonds im kürzeren Laufzeitenbereich. www.dje.de INTERVIEW . Ulrich Kaffarnik, DJE Kapital AG 10 . GELD-MAGAZIN – Juli/August 2021 Halten Sie Gold als Absicherung für zweckmäßig? Vielleicht gerade jetzt in Zeiten hoher negativer Realzinsen? Vergangenes Jahr ist mit der Krise Euphorie gegenüber Gold ausgebrochen. Derzeit sind die Bond- und Aktienmärkte relativ ent- spannt und der Goldmarkt hat wieder korri- giert. Mittelfristig sind die Sentimentdaten für den Goldpreis zwar relativ gut, aber auch der Goldmarkt scheint durch die nega- tiven Realzinsen in den USA durchzuschau- en – jetzt sind es minus 3,5 Prozent, aber in sechs oder neun Monaten haben wir viel- leicht nur mehr minus zwei Prozent. Gold kann man zwar als Absicherung halten – die berühmten drei bis fünf Prozent –, aller- dings machen dem Gold die Dollaranstiege immer wieder zu schaffen. Grundsätzlich denke ich, dass vor dem Hintergrund der politischen Risiken plus der negativen Real- zinsen eine gewisse Position im Gold keine schlechte Idee ist. Zum Thema Staatsverschuldungen: Sie sind durch die zahlreichen Hilfspakete auf Rekordwerte gestiegen. Aus diesem Grund hatten wir bereits eine Eurokrise. Nun sind die Staaten weit mehr verschul­ det. Wo sehen Sie da eine Lösung? Gerade bei Japan meint man seit Jahrzehn­ ten, dass das eigentlich gar nicht geht. Aber es ist, wie es ist. Und faktisch haben die USA zuletzt den stärksten Anstieg der Verschul- dung: von 100 Prozent im Jahr 2019 auf heuer 130 Prozent. Weiter oben stehen noch die üblichen Verdächtigen: Griechenland, Portugal, Italien – und dann kommen schon die USA. Aber in der Coronazeit ließ sich so ein Defizit unglaublich gut verkaufen. So- lang die Zinsen niedrig bleiben – bei 10-jäh- rigen italienischen Staatsanleihen stehen z.B. nur 0,90 Prozent drauf –, ist das kein Problem. Und die EZB hat auch permanent ein Auge darauf. Viele erwarten zwar, dass wir aus den Schulden rauswachsen werden, wobei ich persönlich da ein Stück weit pessi- mistischer bin. Schlussendlich wird es ir- gendwann einen Schuldenschnitt durch die EZB geben, da muss nur ein bilanzpoli- tischer Kniff gefunden werden – z.B. eine Buchung gegen negatives Eigenkapital und Eine Inflation von zwei bis drei Prozent ist ein klarer Vorteil für Sachwerte wie Aktien.

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