GELD-Magazin, Juni 2021

8 . GELD-MAGAZIN – Juni 2021 F ür viele Investoren war der Sprung der Inflation in den USA auf 4,2 Prozent im April eine Schocknach- richt und nährte die Befürchtung, dass die enorm großen Fiskalpakete und die Geld- schwemme der Notenbanken während der Pandemie nun ungehemmt den Weg in die Wirtschaft finden und die Preise nach oben treiben werden. Die Notenbanken argumen- tieren dagegen, dass vor allem temporäre Sonderfaktoren für den Anstieg verantwort- lich sind. Wer hat nun recht und wie hoch sind die Risiken tatsächlich? Aktuell treiben vor allem Sonderfak- toren die Inflation Klar ist, der Anstieg der Verbraucherpreise seit Jahresbeginn lässt sich vor allem durch Covid-bedingte Sonderfaktoren erklären. Denn eine steigende Nachfrage trifft in vie- len Bereichen auf eine noch gedrosselte Produktion, was zu Liefer- und Angebots- engpässen führt. Dies zeigt der starke An- stieg zahlreicher Rohstoffpreise, der sich über höhere Produzentenpreise zum Teil auch in die Inflation überträgt. Hinzu kommt ein statistischer Basiseffekt. Denn im Frühjahr 2020 waren Löhne und Preise auf dem Höhepunkt der Krise stark gesun- ken und normalisieren sich nun wieder. Diese Sonderfaktoren sorgen vermutlich noch bis zum Jahresende für erhöhte Preise im Vergleich zum Vorjahr. Inflationsraten von vier Prozent in Europa und fünf Prozent in den USA sind nicht auszuschließen. Die Wirkung der Fiskalpakete und der Geld- schwemme wird sich aber erst darüber hi- naus zeigen. Die Marktteilnehmer teilen die entspannte Haltung der Notenbanken dabei nur bedingt. Die mittelfristigen Inflationser- wartungen sind vor allem für die USA deut- lich gestiegen. Zwei Argumente werden da- bei besonders diskutiert. Sorgen vor den Folgen der enormen Konjunkturprogramme Nach der keynesianischen Sichtweise birgt eine zu umfangreiche fiskalische Unterstüt- zung das Risiko, dass die Nachfrage deutlich stärker steigt als das Angebot und so die Löhne und schließlich die Preise entgleisen. Die Entwicklung in die USA lässt dabei auf- horchen. Während die durch die Pandemie entstandene Nachfragelücke Ende 2020 noch auf rund eine Billion Dollar geschätzt wurde, summieren sich die beschlossenen und geplanten Konjunkturstimuli der Biden- Administration – bestehend aus Covid-Pro- gramm, Infrastrukturplan und Family Plan – auf sage und schreibe sechs Billionen Dollar. Ein gewaltiges Haushaltsdefizit ist die Folge, das 2021 wie im Vorjahr bei etwa 16 Pro- zent des BIP liegen dürfte. Es wird erwartet, dass die US-Wirtschaft bereits im zweiten Quartal wieder das Vorkrisenniveau erreicht und im weiteren Jahresverlauf sogar den Vorkrisentrend überflügeln wird. Dass sich die USA deutlich rascher erholen als Europa hat auch mit der Art der Pandemiebekämp- fung zu tun. Da das gesellschaftliche Leben weniger stark durch Lock Downs gebremst wurde, schrumpfte die US-Wirtschaft 2020 nur um 3,5 Prozent, während das BIP-Minus in Europa etwa doppelt so hoch lag. Und der raschere Impffortschritt ermöglicht in den USA nun ein höheres Tempo bei den Locke- rungen. Die Europäer waren und sind wesentlich vorsichtiger, sowohl im Bereich der Locke- rungen als auch in der Frage der Fiskalpro- gramme. Das Haushaltsdefizit dürfte 2021 erneut nur etwa halb so hoch ausfallen wie BRENNPUNKT . Inflation Geldsorgen Mit zunehmenden Öffnungsschritten nach der Pandemie kommt die Wirtschaft wieder in Schwung. Die umfangreichen Fiskalpakete sorgen beinahe für einen Blitzstart. Drohen uns jetzt hohe Inflation und rasche Zinsanstiege? DR. JOHANNES MAYR, CHEFVOLKSWIRT BEI EYB & WALLWITZ Credit: beigestellt Zum Gastautor Dr. Johannes Mayr ist seit April 2021 Chefvolkswirt bei der Fonds- gesellschaft Eyb & Wallwitz. Vor seinemWechsel zu Eyb & Wall- witz war der promovierte Volkswirt und Kapitalmarktexperte seit 2011 bei der BayernLB beschäftigt. Als Leiter Volkswirtschaft lag sein Fokus bis 2017 auf der Geldpolitik der EZB und der Konjunktur im Euroraum. Mitte 2017 übernahm er die Leitung der Abtei- lung Investment Research und war für die Analyse globaler Kapitalmärkte verantwortlich. 2019 sagte er als Sach- verständiger vor dem Bundesverfas- sungsgericht zum QE-Programm der EZB aus. Zuvor war Mayr zwischen 2006 und 2011 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am ifo-Institut für den Be- reich internationale Konjunktur zustän- dig. Hier arbeitete und publizierte er unter anderem mit Prof. Hans-Werner Sinn zu Themen der Finanz- und Euro- krise. Seine Promotion hat der 42-Jäh- rige an der LMU München zu makro- ökonomischen Prognoseverfahren verfasst.

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