GELD-Magazin, Mai 2021

selm, Geschäftsführerin von Hilfswerk Ös- terreich. Die Bruttoausgaben für die Betreu- ungs- und Pflegedienste betrugen in Öster- reich im Jahr 2019 rund 4,2 Milliarden Euro, 84 Prozent davon entfielen auf den stationären Bereich, 16 Prozent auf mobile Dienste. Die Bruttoinvestitionen für den sta- tionären Bereich steigen nicht nur in absolu- ten Zahlen, sondern auch prozentuell weit stärker an als die Investitionen im mobilen Sektor. Ein Teil dieser teuren Entwicklung ist auch der Abschaffung des Pflegeregres- ses mit 1. Jänner 2018 geschuldet, die zu ei- ner Verschiebung in Richtung stationärer In- vestitionen beigetragen hat. Im Jahr 2018 – dem ersten Jahr ohne Pflegeregress – lag der Anstieg der Bruttoinvestitionen im statio- nären Bereich bei 353 Millionen Euro, was mehr als die Hälfte der Gesamtkosten des mobilen Dienstes in Österreich ausmachte (siehe Tabelle). „Die Abschaffung des Pfle- geregresses hat dazu geführt, dass die Leute von ihren Familien in die Heime abgescho- ben werden, was die teuerste Variante ist, und die meisten Alten nicht wollen“, so Prof. Marin. Anselm fordert mehr Kreativität und Fantasie, um die Pflege zu Hause finanziell attraktiver zu machen und die richtigen An- gebote zu schaffen. „Da gibt es eine Fülle von Maßnahmen, die man setzen kann, so- dass die Menschen nicht kohortenweise in die stationäre Betreuung drängen.“ Eine Maßnahme, die die Regierung im Regie- rungsprogramm setzen will, ist die Imple- mentierung einer sogenannten Community Nurse in 500 Gemeinden. Das Projekt Com- munity Nurse zielt vor allem auf Aufgaben der Information und Koordination ab. Die Community Nurse soll dabei zentraler An- sprechpartner für die zu Pflegenden, die An- gehörigen, zur Koordination von mobilen Pflege- und Betreuungsdiensten, medizi- nischen und sozialen Leistungen sowie zur Koordination von Therapien sein. Föderalismus Eine wesentliche Herausforderung für eine Pflegereform in Österreich ist die Kompetenz­ aufteilung zwischen Bund und Ländern, in der der Bund für die Geldleistungen und die Länder für die Sachleistungen in der Pflege zuständig sind. Es gibt dabei keine einheit- lichen Standards, wenn es um die Qualität der Pflege geht. „Schon auf die Frage, was darf ich als Österreicher erwarten, wenn ich alt und pflegebedürftig werde, gäbe es, ent- sprechend der Anzahl der Bundesländer, neun verschiedene Antworten“, so Anselm. Während in Salzburg, Tirol und Vorarlberg die stationäre Pflege weitestgehend den Ge- meinden obliegt, liegt sie in Kärnten, Ober­ österreich und der Steiermark in den Hän- den der Sozialhilfeverbände. In Wien, in Niederösterreich und im Burgenland ist vor allem das Land maßgeblich, wobei dieses in Wien und Niederösterreich auch als Anbie- ter von Dienstleistungen auftritt. Kein Wun- der, dass der Wohnort in Österreich auch den Preis der Pflege bestimmt. Die durch- schnittlichen Kosten je Heimplatz und Ver- rechnungstag lagen, laut dem letzten Rech- nungshofbericht, zwischen 91 Euro in Kärn­ ten und 161 Euro in Wien. Dies hat auch da- mit zu tun, dass die Personalvorgaben für Pflegeheime in den einzelnen Bundeslän- dern zum Teil dramatisch voneinander ab- weichen. Daher fordert die Taskforce eine Vereinheitlichung der Personalschlüssel für bestimmte Pflegesettings. Auch die Höhe der Eigenbeiträge, also der Kosten, die der Pflegebedürftige selbst aufzubringen hat, variiert laut Auskunft vom Hilfswerk zwi- schen den Bundesländern um über 60 Pro- zent. Diese Ungerechtigkeiten zwischen den Bundesländern sollten nun beseitigt wer- den. Jedoch ist die Skepsis groß, ob- sich einheitliche Mindestqualitätsstandards so- wie mehr Gerechtigkeit im Bereich der Pfle- ge im politischen Diskurs zwischen Bund und Ländern durchsetzen lassen. VERGLEICH: INVESTITIONEN IN STATIONÄRE UND IN MOBILE PFLEGE BRUTTO- VERÄND. ZUM AUSGABEN VORJAHR stationär 2017 2.813 Mio.€ 2018 3.166 Mio.€ +12,5% 2019 3.406 Mio.€ +7,6% mobil 2017 619 Mio.€ 2018 638 Mio.€ +3,1% 2019 668 Mio.€ +4,7% Quelle: Statistik Austria Einer steigenden Anzahl von Pflegebedürftigen steht eine immer geringerere Anzahl von Pflege- kräften gegenüber. Mai 2021 – GELD-MAGAZIN . 63

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