GELD-Magazin, Oktober 2020

A usgewogenheit zeichnet ein nachhaltig ausgerichtetes Pensi- onssystem aus. Die Diversifikati- on kapitalgedeckter und umlagefinanzierter Pensionen wird heute von Experten als der Königsweg für die zukünftige Pensionsvor- sorge gesehen. In Österreich ist von Ausge- wogenheit und Risikodiversifikation des Pensionssystems jedoch nur wenig zu se- hen. Hierzulande werden unsere Pensionen fast zur Gänze von einer Säule getragen, mit der Gefahr, dass der nächste Windstoß das fragile Konstrukt zum Einsturz bringt. An- ders ausgedrückt: 90 Prozent der Pensionen in Österreich kommen aus der staatlichen Vorsorge. Der minimale Rest teilt sich gleichmäßig auf die kapitalgedeckte be- triebliche und private Vorsorge auf. Im OECD-Schnitt liegt der Anteil der kapitalge- deckten Vorsorge im Vergleich bei rund 30 Prozent – Tendenz steigend. Vor allem der demografische Wandel – immer weniger Beschäftigte kommen auf immer mehr Pen- sionisten – belastet die umlagefinanzierten Pensionen und damit auch die Staatsfi- nanzen. Der Zug ist abgefahren Viele europäische Länder haben die Zeichen der Zeit erkannt und treiben die betrieb- liche Vorsorge stark voran. In Deutschland wurde unter dem sperrigen Titel „Betriebs- rentenstärkungsgesetz“ 2018 die Verbrei- tung der betrieblichen Altersvorsorge in An- griff genommen, und zwar durch Erhöhung der abzugsfähigen Spielräume und der An- ordnung von Arbeitgeberzuschüssen. Mit den Maßnahmen konnte Deutschland die Quote der Arbeitnehmer in betrieblichen Vorsorgemodellen bislang auf 56 Prozent erhöhen. In Österreich liegt die Quote der Arbeitnehmer mit einer betrieblichen Vor- sorge immer noch bei überschaubaren 23 Prozent. Als Vorzeigeland der betrieblichen Vorsorge gilt die Niederlande. 91 Prozent der Arbeitnehmer haben eine betriebliche Absicherung, und zwar auf Basis kollektiv- vertraglicher Vereinbarungen. Eine Wahl- möglichkeit (Opt-Out) gibt es für die nie- derländischen Beschäftigten dabei meist nicht. In der Schweiz ist die betriebliche Versicherung obligatorisch, was bedeutet, dass jeder Arbeitnehmer auch eine betrieb- liche Pension genießt. 1.800 Vorsorgeein- richtungen verwalten dort ein Vermögen von rund 730 Mrd. Euro. In Österreich liegt das verwaltete Vermögen der fünf überbe- trieblichen und drei betrieblichen Pensions- kassen im Vergleich dazu bei luftigen 34 Mrd. Euro. Neben den Schweizern besitzen auch die Norweger und die Dänen mittler- weile ein Obligationsmodell. Und was hat die österreichische Regierung vor? Einzig ein General-Pensionskassenvertrag ist im Koalitionsübereinkommen vorgesehen, der die Möglichkeit der Übertragung von Kapi- tal aus einer Vorsorgekasse (z.B. Abfin- dung) in eine Pensionskasse (z.B. bei einem neuen Arbeitgeber) vorsieht. Eine konkrete Attraktivierung kapitalgedeckter Vorsorge im betrieblichen Bereich ist jedoch nicht vorgesehen. Aber frei nach dem Sprichwort: Wenn der Berg nicht zum Propheten kommt, dann muss der Prophet zum Berg, gibt es nun einen Vorstoß der EU, europa- weit die betriebliche Säule zu stärken. So VERSICHERUNG . Betriebliche Vorsorge Im Schatten der staatlichen Pension Der zügige demografische Wandel wird das Umlageverfahren schon bald überfordern. Gerade der Ausbau der betrieblichen Pensionsvorsorge ist daher eine dringende Forderung der Versicherungsindustrie. CHRISTIAN SEC Credits: Archiv/Helmreich; Craig Whitehead/Unsplash 78 . GELD-MAGAZIN – Oktober 2020

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