GELD-Magazin, Juli/August 2020

International gesehen ist die Arbeitslosenunterstützung in Österreich nicht besonders hoch, sie liegt im Mittelfeld der Sozialstaaten Nord- und Westeuropas. Im internationalen Vergleich bleibt das Niveau der Unterstützung auch bei langem Bezug relativ stabil. Negativer Rekord Die Corona-Pandemie schlägt unmit- telbarer und stärker auf den Arbeits- markt durch als die Finanz- und Wirt- schaftskrise 2008/09. Damals nahm die Arbeitslosigkeit langsamer und in keinem Monat um mehr als 73.000 Personen oder 33,2 Prozent zu. In der heißen Corona-Phase waren es hin- gegen in der Spitze 588.000 Arbeits- lose (April), das höchste Niveau in der Geschichte der Zweiten Repu- blik. Auch wenn zuletzt ein leichter Rückgang zu beobachten war, dürf- te das „dicke Ende“ erst kommen. Und zwar, wenn das Kurzarbeitsmo- dell ausläuft und durch eine noch zu verhandelnde restriktivere Variante ersetzt wird. Auch steht das Gros der Firmenpleiten erst jetzt an. Unter- schiedlichen Prognosen zufolge wird die Arbeitslosenquote in Österreich 2021 bei fünf bis acht Prozent liegen. Einkommen verfügen. Statistisch gesehen verdient derjenige, der den Job verliert, um zwei Drittel weniger als der österreichische Durchschnitt. Wobei auch Besserverdiener nicht vor starkem Wohlstandsverlust gefeit sind, denn das Arbeitslosengeld in Österrei- ch liegt aktuell maximal bei 1635 Euro mo- natlich. Da kann die Kasse schon schnell knapp werden, etwa wenn teure Kredite be- dient werden müssen. Mehr Unterstützung Alles in allem werden die Forderungen im- mer lauter, dass der Staat auch für die Ar- beitslosenunterstützung mehr Geld in die Hand nehmen sollte. So twittert der Arbei- terkammer-Chefökonom Markus Marter- bauer: „Erhöhung Arbeitslosengeld auf 70 Prozent möglichst dauerhaft, zumindest aber bis die Zahl der Arbeitslosen wieder das Niveau 2019 erreicht (300.000).“ Dem schließt sich Oliver Picek vom Momentum Institut im Gespräch mit dem GELD-Maga- zin an: „Wir schlagen eine Erhöhung der Nettoersatzrate des Arbeitslosengeldes von 55 auf 70 Prozent vor. Das von uns weiters empfohlene ,Corona-Ausgleichsgeld‘ von mindestens 1000 Euro netto pro Person be- deutet ein höheres Mindesteinkommen für alle Betroffenen aus der Arbeitslosenversi- cherung und Mindestsicherung, um die Zeit der Erwerbslosigkeit in der Corona-Krise finanziell zu überstehen.“ Außerdem sollen Selbstständige in die Arbeitslosenversiche- rung inkludiert werden: Die Aufnahme von Solo-Selbstständigen und Eigentümern von kleinen Betrieben in die Arbeitslosenversi- cherung bei Betriebsschließung oder -ein- schränkung soll ermöglicht und Arbeitslo- sengeld zumindest auf dem Niveau der er- höhten Ausgleichszulage bezahlt werden. Es gibt aber natürlich auch Gegenstimmen, so meint Dénes Kucsera, Arbeitsmarkt­ experte der Agenda Austria: „In Österreich geht das Arbeitslosengeld in die etwas nied- rige Notstandshilfe über. Diese läuft dafür unbegrenzt weiter. Würde also nun das Ar- beitslosengeld deutlich erhöht werden, wäre das von sehr langer Dauer, dabei hat Österreich bereits eine vergleichsweise großzügige Unterstützung der Langzeitar- beitslosigkeit.“ Fazit: Politisch schwer umsetzbar Nach Abwägung der Argumente haben sich fast alle politischen Parteien Österreichs für eine Anhebung der Arbeitslosenhilfe in der einen oder anderen Form ausgesprochen. Nur die ÖVP legt sich quer, was allerdings in der gegenwärtigen politischen Konstellation Österreichs einem Veto gleichkommt. Ohne Türkis/Schwarz geht eben kaum etwas. Ob hier die befürchtete Massenarbeitslosigkeit zu einem Umdenken führen wird? Arbeitslosengeld: Luft nach oben? Quelle: Agenda Austria, OECD 2019 in Prozent des Letzteinkommens nach Steuern, Bezugsdauer in Monaten 20% 40% 60% 80% 0% 74% 36% Niederlande Österreich 55% 51% Deutschland Dänemark Belgien 69% 42% 59% 16% 58% 35% 6 12 18 24 30 36 42 48 54 60 in Monaten: Das Arbeitslosengeld sollte möglichst dauerhaft auf 70 Prozent erhöht werden – zumindestens aber bis die Zahl der Arbeitslosen wieder das Niveau von 2019 erreicht. Markus Marterbauer, Chefökonom bei der Arbeiterkammer Credit: Arbeiterkammer Juli/August 2020 – GELD-MAGAZIN . 25

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