GELD-Magazin, April 2020

Die Corona-Krise – Eine Chance für langfristig orientierte Anleger? Die Corona-Pandemie ist derzeit das alles bestimmende Thema. Der durch die Ausgangsbeschränkungen ausgelöste massive Einbruch der Wirtschaftstätigkeit spiegelt sich an den Aktienmärkten wider. Sind die Sorgen der Anleger berechtigt oder reagie- ren die Marktteilnehmer mit ihren Aktienverkäufen aus übertriebener Vorsicht? Um diese Frage beantworten zu können, muss die Si- tuation an den Märkten vor dem Kurseinbruch und die aktuelle Datenlage bewertet werden. Vor dem Ausbruch der Corona-Krise waren die Märkte in Hochstimmung, viele Aktien notierten trotz der geo- politischen Verwerfungen und Krisen zu Beginn des Jahres 2020 auf Höchstständen. Die hohen Kurse wurden mit den steigenden Gewinnen der Unterneh- men und den anhaltenden niedrigen Renditen von Anleihen begründet. Mit dem Ausbruch der Corona- Pandemie und den als Gegenmaßnahme in den mei- sten betroffenen Ländern ausgerufenen Lock Downs sank auch die Nachfrage nach Waren und Dienstlei- stungen. Gleichzeitig änderte sich die Stimmung an den Börsen und die Kurse begannen schlagartig zu fallen. Die in der Folge von Regierungen und Noten- banken geschnürten Rettungspakete für die natio- nalen Wirtschaften und für Privatpersonen konnten die hektische Abwärtsbewegung an den Aktienmärk- ten nur kurz bremsen. Auch der Verfall des Ölpreises auf das Niveau der 1950er Jahre – aufgrund der Streitigkeiten um Fördermengen zwischen der OPEC und Russland – hatte keine stabilisierende Wirkung. Individuelle Entscheidung In der Folge war der März 2020 an vielen Börsen ei- ner der schlechtesten, wenn nicht der schlechteste Monat in der Geschichte. Doch sind die gegenwär- tigen Kurse schon eine Chance, die Anleger zum Ein- stieg nutzen sollten? Wie immer kann diese Frage nicht allgemeingültig beantwortet werden, da sie von dem individuellen Ziel und der Risikotragfähig- keit der einzelnen Anleger abhängt. Da die Geschwindigkeit der Abwärtsbewegung da- rauf hindeutet, dass es sich hierbei um eine negative Übertreibung handelt, könnte das gegenwärtige Kursniveau von renditeorientierten Anlegern mit ei- ner hohen Risikotragfähigkeit schon zu einem teil- weisen Einstieg bzw. zum Nachkauf bestehender Po- sitionen genutzt werden. Aber auch für diese Anleger ist es wichtig, eine Barreserve zu halten, die sie nut- zen können, falls die Kurse weiter fallen. Viele Risiken Allerdings gibt es viele Unwägbarkeiten, die dazu führen können, das die Aktienkurse in den nächsten Wochen noch sinken werden. Hier ist eine mögliche tiefe Rezession, die deutlich länger dauern kann als die Marktteilnehmer erwarten, sicherlich eines der größten Risiken. Auch die Frage, wie die Unterneh- men es schaffen werden, die Produktion nach Been- digung der Lock Downs wieder hochzufahren, spielt eine wesentliche Rolle. Ebenso lässt sich nur schwer prognostizieren, wie sich die Nachfrage der Verbrau- cher nach der Krise entwickeln wird. Viele Anleger haben sich vor der Krise bei ihren Inve- stitionen in festverzinsliche Wertpapiere – aufgrund des niedrigen Zinsniveaus – in Richtung Unterneh- mensanleihen orientiert, besonders auf Titel unter- halb des Investmentgrades. Doch gerade in diesem Segment könnte es unter anderem infolge des nied- rigen Ölpreises zu Verwerfungen kommen, da viele Indizes und damit auch die entsprechenden Invest- mentfonds einen hohen Anteil an Anleihen von Un- ternehmen aus der Ölproduktion enthalten, die auf dem derzeitigen Preisniveau nicht kostendeckend produzieren können. Das aber auch andere Unter- nehmen mit ausstehenden Anleihen von einer mög- lichen Insolvenz bedroht sein können, zeigen zum Beispiel die Hilferufe renommierter Unternehmen aus der deutschen Wirtschaft. Fazit Man sollte jetzt einen kühlen Kopf bewahren und keine emotionalen Entscheidungen treffen. In die- sem Sinne gilt es, die Entwicklungen in den einzel- nen Anlagesegmenten zu verfolgen, um so die Chan- cen und Risiken einschätzen zu können. www.lipperleaders.com Detlef Glow, Head of Lipper Research EMEA April 2020 – GELD-MAGAZIN . 67 GASTBEITRAG . Detlef Glow, Lipper Research Credit: Archiv Fürden InhaltderKolumne istalleinderVerfasserverantwortlich.Der Inhaltgibtausschließlichdie MeinungdesAutorswieder,nichtdievonRefinitiv.

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