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11. Juni 2021

Wertorientiertes Investieren

GlowDetlef Lipper-scaled
Detlef Glow Head of Lipper EMEA Research, Refinitiv, LSEG

Beim sogenannten Value Investing handelt es sich um einen der ältesten systematischen Investmentansätze überhaupt, mit dem Investoren versuchen, Aktien günstig zu kaufen und später teuer zu verkaufen.

Anders formuliert kann man sagen, dass der Value-Ansatz genau dem entspricht, was man als rationales Handeln bezeichnet. Doch was sich in der Theorie einfach anhört, ist in der Praxis nicht ganz so leicht umzusetzen.

Wie funktioniert Value Investing?

Im Detail zeichnet sich der wertorientierte Investmentansatz dadurch aus, dass der Portfoliomanager versucht in Aktien zu investieren, die aus seiner Sicht günstig bewertet sind – also der Aktienkurs unter dem festgestellten Wert des Unternehmens liegt. Zur Bewertung der Unternehmen werden dabei klassi­scher­weise Kennzahlen wie z.B. das Kurs/Gewinn-Verhältnis, das Preis/Buchwert-Verhältnis, die Margenentwicklung oder die Dividendenrendite verwendet. Welche der unterschiedlichen Kennzahlen bei der Aktienauswahl wie genutzt werden, ist von Fonds zu Fonds unterschiedlich und liegt im Entscheidungsbereich des jeweiligen Fondsmanagers. In einem weiteren Schritt wird mittels einer qualitativen Analyse abgeklärt, warum sich die jeweiligen Kennzahlen so darstellen wie sie sind, sowie deren zukünftige Entwicklung abgeschätzt. Ebenso versuchen viele Fondsmanager die Qualität der Unternehmensführung zu bewerten, um so die Unternehmen herauszufiltern, bei denen die Unternehmenslenker im Sinne der Aktionäre handeln.
Bei der modernen Auslegung des Value Ansatzes wird zusätzlich das erwartete zukünftige Wachstum des Unternehmens mitbewertet. Allerdings kann die Schätzung des zukünftige Unternehmenswachstums auch eine zusätzliche Fehlerquelle bei der Beurteilung eines Unternehmens sein.
Da sich jede Kennzahl je nach Orientierung beziehungsweise Strategie des Investors unterschiedlich auslegen lässt, gibt es heutzutage eine große Anzahl von Investmentfonds, die sich als Value-Fonds bezeichnen, aber aufgrund ihrer Ausrichtung nur bedingt der ursprünglichen Theorie folgen.

Anlageerfolg auch von der Marktphase abhängig

Auch wenn dieser Ansatz logisch erscheint, kann mit einem wertorientierten Investmentansatz nicht in jeder Marktphase ein Mehrertrag erzielt werden. Es gibt durchaus lange Phasen, in denen die Bewertungen der Unternehmen an den Börsen keine oder nur eine geringe Rolle spielen, da in einzelnen Phasen zum Beispiel eher auf das Wachstum der Unternehmen geachtet wird. Dementsprechend zeigt der Value-Ansatz bei starken Anstiegen des Gesamtmarktes oftmals eine unterdurchschnittliche Wertentwicklung. Aber auch in Phasen mit stark fallenden Kursen, kann das wertorientierte Investieren Schwächen zeigen. Viele Value-Titel stammen aus reifen Branchen und haben daher eine hohe Marktkapitalisierung mit entsprechend hoher Liquidität an den Börsen. Dies führt dazu, dass Anleger die hohe Liquidität dieser Titel in Abschwungphasen nutzen, um ihre Aktienquote schnell zu senken. Wie viele Studien aber zeigen, ist der Value-Ansatz, trotz der Schwächen in einigen Marktphasen, aufgrund der eingesetzten fundamentalen Bewertungskriterien und der umfassenden Analyse der Aktien, für den langfristig orientierten Investor ein durchaus erfolgsversprechender Investmentansatz.

Value Investing mit ETFs

Da die Bewertungen der Unternehmen von den Bilanzkennzahlen abgeleitet werden, lässt sich dieser Schritt der Titelauswahl formalisieren und automatisieren. Dies haben viele Indexanbieter genutzt, um entsprechende Value-Indizes zu berechnen, die von den ETF Anbietern im Rahmen von sogenannten „Smart-Beta-ETFs“ genutzt werden. Allerdings gibt es bei den meisten dieser Indizes keine qualitative Analyse, was dazu führen kann, dass sich auch Aktien in den Portfolien befinden, deren Bewertungen zwar technisch den Grundsätzen des Value Investings entsprechen, deren Geschäftsmodell oder Geschäftsaussichten aber einer qualitativen Überprüfung durch einen Fondsmanager nicht standhalten würden.

Für den Inhalt der Kolumne ist allein der Verfasser verantwortlich. Der Inhalt gibt ausschließlich die Meinung des Autors wieder, nicht die von Refintiv.

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Detlef Glow Head of Lipper EMEA Research, Refinitiv, LSEG

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