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1. Februar 2021

USA nach Donald Trump

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Mag. Harald Kolerus GELD-Magazin / Redakteur

Die Probleme der USA sind mit dem unrühmlichen Abgang Trumps  keineswegs gelöst. Der „Wurm“ sitzt viel tiefer: Strukturelle Defizite in vielen Bereichen gefährden die Supermacht.

Nicht erst seit Trump ans Ruder kam, haben die USA vieles an Reputation verloren – der Hochglanzlack blättert ab.

Unendliches Wahlchaos, extremes Armutsgefälle, tiefe politische Spaltung, ein autokratisch denkender Ex-Präsident, bürgerkriegsähnliche Unruhen, über weite Strecken desolate Infrastruktur. Weiters eine sehr schwache Gesundheitsversorgung – und über 400.000 Corona-Tote. Nein, dieses Bild beschreibt kein Dritte-Welt-Land, sondern die (noch) führende Nation der Welt: Die Vereinigten Staaten von Amerika.

Im Niedergang

Nicht erst seit Trump ans Ruder kam, haben die USA vieles an Reputation verloren – der Hochglanzlack blättert ab. Als Kernproblem gilt die soziale Spaltung im „Land Of The Free“. Wie tief ist nun der Graben, der durch die US-Gesellschaft geht, und wie lässt er sich erklären?

Stephan Lamby, vielfach ausgezeichneter Journalist und US-Kenner, meint im Gespräch mit dem GELD-Magazin: „Die Spaltung lässt sich nicht zuletzt historisch begründen, dazu müssen wir auf die US-Medienlandschaft der 1980er-Jahre zurückblicken, als radikale Talk-Radio-Moderatoren im Mittelwellenbereich aufgekommen sind. Entscheidend war dabei, dass 1987 die Fairness-Doktrin aufgegeben worden ist. Sie besagte, dass Moderatoren nicht nur einen politischen Part, sondern auch die Gegenseite zu Wort kommen lassen mussten. Nachdem das fallengelassen wurde, hat sich die Radikalität in den letzten drei bis dreieinhalb Jahrzehnten aufgeschaukelt. Zuerst in den Medien, dann kam die Tea Party und schließlich Trump.“

Hoffen auf Biden

Aber mittlerweile hat Joe Biden den Chefsessel übernommen: Wird er das Ruder herumreißen können?  Lamby glaubt, dass es nicht möglich sein wird, die tiefen Gräben innerhalb einer Präsidentschaftsperiode zu überbrücken. Er meint allerdings, dass Biden jetzt versuchen wird, einen anderen Ton in die Debatte zu bringen, auf die Politik der Lügen seines Vorgängers verzichtet, auf Wissenschaftler hört, und Fakten wieder in den Vordergrund stellt. 

Seltsame Wahlen

Das ist positiv, aber in den USA gibt es noch viele andere „Baustellen“: Etwa das verzwickte Wahlrecht. Man führe sich vor Augen: 50 US-Bundesstaaten schicken jeweils zwei Senatoren nach Washington, wobei es keine Differenzierung nach der Größe der Staaten gibt. Zum Beispiel bevölkern fast 40 Millionen Menschen Kalifornien, Wyoming hingegen nur 575.000, was aber unter den Tisch fallen gelassen wird. „Eine Stimme aus Wyoming hat also, umgerechnet auf die Einwohnerzahl, 69 Mal so viel Gewicht wie eine Stimme aus Kalifornien“, rechnen die Autoren Lamby und Brinkbäumer in ihrem Amerika-Buch „Im Wahn“ vor.

Ähnlich abstrus die Situation beim Präsidentschafts-Rennen: Zumeist gilt das „Winner-Takes-It-All-Prinzip“. Wenn also in einem Bundesstaat eine auch nur hauchdünne Mehrheit erobert wird, werden 100 Prozent der Wahlmänner gewonnen. Das kostete Hillary Clinton und Al Gore die Präsidentschaft, obwohl sie landesweit mehr Wähler auf sich zogen. Eine Reform dieses Systems wäre dringend notwendig, sie wird aber von den Republikanern blockiert …

Schwächen und Stärken

Will man ein Fazit ziehen, fällt die US-Bilanz nicht glänzend aus, vielleicht zu schwarzmalerisch? Der bekannte Politologe und Amerika-Kenner Anton Pelinka widerspricht der Aussage, dass sich die USA im Niedergang befinden würden: „Die Vereinigten Staaten sind voll von Unzulänglichkeiten und – korrigierbaren – Fehlern. Das haben sie mit den anderen westlichen Demokratien gemeinsam. Hingegen sind Russland und China dabei, eine Art Dauerpräsidentschaft einzurichten; wobei ich die Fixierung auf eine Führungsperson nicht als ein Zeichen der Stärke sehe. Hingegen ist es ein Ausdruck von Stärke, dass freie Wahlen zu friedlichen Führungswechseln führen, dass also ein Präsident abgewählt werden kann: So, wie das in den USA passiert ist.“ Dieser internationale Vergleich legt nahe, dass für die USA nicht alles verloren ist. Sollten die inneren Reformen aber ausbleiben, hat sich der „American Dream“ bald ausgeträumt.

Harald Kolerus 2-e1666618640728
Mag. Harald Kolerus GELD-Magazin / Redakteur

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